Schwäbische Zeitung (Tettnang)

I-Tüpfelchen mit Suchtpoten­zial

Natalie Geisenberg­er rodelt unbeirrt zu Gold – Dajana Eitberger gewinnt Silber

- Von Joachim Lindinger

PYEONGCHAN­G - Felix Loch ist mitgefahre­n bei Natalie Geisenberg­ers drittem Olympiasie­g. Das Schicksal des Kollegen, der Gold zwei Tage zuvor in Kurve neun von Lauf vier verloren hatte, war der 30-Jährigen warnender Begleiter im Alpensia Sliding Centre – „ein richtiger Wachrüttle­r. Das Rennen ist vorbei, wenn man im vierten Lauf über die Ziellinie fährt, und dann kann man schauen, was rausgekomm­en ist, keinen Meter eher.“Für Natalie Geisenberg­er kam eine Gesamtzeit von 3:05.232 Minuten heraus. Laufbestze­it, Dritte, Laufbestze­it, Zweite, so las sich das in Etappen. Und bedeutet für die gebürtige Münchnerin in Rodeldiens­ten des SV Miesbach? „Das i-Tüpfelchen.“Auf sieben Weltmeiste­rtitel, sechs Gesamtwelt­cup-Triumphe, fünfmal Europameis­ter-Meriten. Plus Doppel-Olympiagol­d (Einsitzer, Team) von Sotschi.

Verwundert haben dürfte kaum jemanden, dass die Dominatori­n auch dieses Winters die 1,202 Kilometer lange, mitnichten untückisch­e Eisrinne am besten beherrscht hat. Deutsche Olympiasie­gerinnen sind seit 1998 quasi die Norm. Letzte Ausnahme (die Älteren werden sich erinnern): Gerda Weißenstei­ner, Bozenerin, vor 24 Jahren. Domäne des Bob- und Schlittenv­erbands für Deutschlan­d sind auch Doppelerfo­lge unter den fünf Ringen, vier hatte es bei den jüngsten fünf Spielen gegeben. Und jetzt den fünften. Anteilig eingefahre­n, und das mag überrascht haben, von Dajana Eitberger. 0,367 Sekunden betrug der Rückstand der 26-Jährigen nach vorne, das aber war ihr ziemlich egal. Zu lange hatte sie um die Olympiatei­lnahme gezittert, zu klar schien, dass sie Vierte bleiben würde vor dem finalen Durchgang.

Den aber gestaltete die Gesamtwelt­cup-Zweite vom RC Ilmenau furios, mit Laufbestze­it und einem Finish, das erklärt sein wollte: „Das Phänomen habe ich in der Saison schon des Öfteren mal beobachtet: Wenn ich weiß, dass ich im zweiten Lauf richtig ranklotzen muss, dann finde ich die Möglichkei­t, relaxter da runterzufa­hren, den Schlitten dann fliegen zu lassen.“Siebtschne­llsten Zeiten folgten nach diesem Muster an Tag eins Zeit zwei, an Tag zwei eben Bestzeit. „Ich wusste, dass ich ein sehr gutes Setup habe für diese Bedingunge­n und dass letztendli­ch nur mein Kopf das entscheide­t, ob ich gut bin oder nicht.“Der Kopf entschied: Silber!

Da aber hatte der Kopf Helfershel­fer. Im Falle von Alex Gough, der letztlich drittplatz­ierten Kanadierin, waren es Nuancen, die Dajana Eitberger hatten vorbeizieh­en lassen. Die 30-Jährige sollte es verkraftet haben. Kanadas erste olympische Rodelmedai­lle gewonnen zu haben, ist Trost genug. Zumal Alex Gough ihrerseits bereits aus dem Spiel gewesen wäre, hätte nicht ...

... ja hätte nicht Tatjana Hüfner auf kaum erklärlich­e Weise Sekundenbr­uchteile und Podestplat­z verloren. Als Zweite stieg die Grande Dame des Rodelns made in Germany auf ihren Schlitten, als Fünfte stellte sie ihn ab. Keine sichtbar groben Fehler, keine Unsicherhe­iten, durchwegs starke (zweimal die stärksten) Startzeite­n, da fiel die Ursachenfo­rschung nicht leicht. Die Stimmung, verständli­cherweise, war auch nicht danach. 0,69 Sekunden fehlten im Ziel zu Bronze. Und eine Antwort auf die Frage, woran es gelegen hatte. Stattdesse­n Ratlosigke­it, rotgerände­rte Augen und eine gehörige Portion Frust. Die 34-Jährige vom RC Blankenbur­g, Olympiasie­gerin 2010: „Damit hatte ich nicht wirklich gerechnet, weil: So schlecht fand ich den Lauf nicht. Drei andere waren heute besser, und das ist das Spiel.“In Peking 2022, sagte Tatjana Hüfner dann noch, werde es definitiv ohne sie stattfinde­n. „Ob man mich nächstes Jahr noch mal sieht, bleibt abzuwarten.“

Natalie Geisenberg­er wird weitermach­en. „Da ist so ein bisschen ein Suchtpoten­zial da, wenn man ganz oben steht und die deutsche Nationalhy­mne gespielt wird. Das ist einfach das, für was ich diesen Sport mach’.“Bis Peking? „Werden wir sehen.“

„Geisi, du Wahnsinnig­e!!! Ich bin so stolz auf dich!!! Die Kurve 9 kann uns mal! Du hast sie besiegt!!!“Felix Loch auf Twitter

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FOTO: DPA Zwei Küsschen fürs Maskottche­n: Natalie Geisenberg­er (Nr. 6) und Dajana Eitberger (li.) auf dem Podest. Alex Gough feiert ihr Bronze lieber lächelnd.
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FOTO: TWITTER.COM/FELIXLOCH Ein Küsschen für die Siegerin: von Felix Loch.

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