Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Druck auf Oxfam wächst nach Missbrauchsvorwürfen
Auch bei Ärzte ohne Grenzen sexuelle Übergriffe
OXFORD (dpa) - Nach Vorwürfen des sexuellen Missbrauchs nimmt der Druck auf die Hilfsorganisation Oxfam von mehreren Seiten zu. Die britische Schauspielerin Minnie Driver ist als Promi-Botschafterin zurückgetreten. Sie sei „tief bestürzt wegen der Frauen, die von Menschen benutzt wurden, die dorthin geschickt wurden, um ihnen zu helfen, (und) tief bestürzt über die Reaktion der Organisation, für die ich geworben habe“, schrieb sie auf Twitter. Die 48-Jährige ist die erste Prominente, die direkte Konsequenzen aus dem Skandal in Afrika und der Karibik zieht. Auch finanziell könnte es für Oxfam eng werden: Unterstützer drohen mit Streichungen.
Ein weiterer Schlag für die Hilfsorganisation: Der Präsident von Oxfam International, Juan Alberto Fuentes Knight, wurde am Dienstag verhaftet. Allerdings hat dies nichts mit seiner Arbeit bei der Hilfsorganisation zu tun. Gegen den Ex-Finanzminister Guatemalas wird wegen Korruption beim Bau des Nahverkehrssystems in seiner Heimat ermittelt. Fast das ganze damalige Kabinett wurde festgenommen. Für Oxfam kommt das dennoch zum denkbar schlechtesten Zeitpunkt.
In der vergangenen Woche hatten britische Medien über Sexorgien von Oxfam-Mitarbeitern mit Prostituierten in Haiti und im Tschad berichtet. Nach Bekanntwerden der Vorwürfe trat die britische Vizechefin der Organisation, Penny Lawrence, am Montag zurück. Eine ehemalige TopManagerin von Oxfam hatte zudem berichtet, dass einige Männer Sex von Frauen als Gegenleistung für Hilfen in Notsituationen verlangt hätten. Oxfam habe solche Vorwürfe nicht konsequent verfolgt.
Die britische Ministerin für internationale Zusammenarbeit, Penny Mordaunt, geht mit Oxfam hart ins Gericht: „Sie ließen die Täter gehen. Sie haben die Spender nicht informiert“, sagte sie auf einer Konferenz in Stockholm. Auch die Polizei sei nicht eingeschaltet worden. Mordaunt drohte damit, die mit britischem Steuergeld finanzierte Unterstützung für Oxfam – umgerechnet etwa 35 Millionen Euro pro Jahr – zu streichen.
Angesichts des Skandals bei Oxfam hat auch die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen eine Reihe derartiger Fälle öffentlich gemacht. Die in Frankreich ansässige Dachorganisation Médecins sans frontières (MSF) teilte am Mittwoch in Paris mit, es habe bei ihr im vergangenen Jahr 24 bestätigte Fälle sexueller Belästigung oder sexuellen Missbrauchs gegeben. Deshalb seien 19 Mitarbeiter entlassen worden. Mit rund 40 000 Mitarbeitern weltweit zählt Ärzte ohne Grenzen zu den größten Hilfsorganisationen der Welt. Sie bietet insbesondere medizinische Betreuung in Konfliktgebieten und anderen Krisenregionen an.