Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Den Fokus auf Europa richten
Natürlich ist die Welt am Montag nach der Münchner Sicherheitskonferenz keine bessere als drei Tage zuvor. Die Auftritte des russischen Außenministers, des US-Sicherheitsberaters, aber auch des türkischen Ministerpräsidenten bewiesen, dass derzeit auf dem internationalen Parkett wenig Raum ist für versöhnliche Gesten und eine konstruktive internationale Zusammenarbeit. Die Staatenlenker gefallen sich darin, Macht nach außen zu demonstrieren und sich ansonsten auf das Wohlergehen der eigenen Nation zu fokussieren. In Zeiten der globalen Vernetzung ist das eine dramatische Fehlentwicklung, und deshalb verwundert es nicht, wenn Konferenzleiter Wolfgang Ischinger von einer „Welt am Abgrund“sprach.
Das mag alarmierend klingen, aber vielleicht brauchte es diese drastischen Worte als Weckruf, um klarzumachen, dass die Weltgemeinschaft seit Jahren versagt. Viele Konflikte harren einer Lösung, neue Krisenherde entstehen, bevor die alten befriedet werden. Die Vereinten Nationen schauen dieser Entwicklung weitgehend hilflos zu. Ihre Rolle wird untergraben von den USA, die ihnen schlicht den Geldhahn zudrehen wollen.
Und wie reagiert Europa darauf? Alleine diese Fragestellung ist schon falsch, weil es „das Europa“leider nicht gibt. Auch die Europäische Union betreibt Nabelschau, blickt weitgehend passiv Richtung Nahen Osten, streitet sich mit den Briten und über die Verteilung von Flüchtlingen. Dass sich viele dieser Menschen nur deshalb auf den Weg gemacht haben, weil sie in der Nähe ihrer Heimat nicht mehr versorgt wurden, bleibt Nebensache. So wie es hingenommen wird, dass in Syrien inzwischen Hunderttausende Menschen gestorben sind, weil sich der Weltsicherheitsrat nicht einig wird.
Deshalb war es richtig, den Fokus auf die EU zu richten. Erstaunlich ist ja, dass sie trotz aller Schwierigkeiten von außen betrachtet als eine Art Einheit wahrgenommen wird, während sich die Mitglieder damit schwer tun. Die neue Bundesregierung muss deshalb der EU wieder Leben einhauchen.