Schwäbische Zeitung (Tettnang)

ESC-Vorentsche­id mit sechs Musikern

Wer Deutschlan­d beim ESC in Lissabon vertritt, entscheide­t sich diesen Donnerstag

- Von Stefan Rother

BERLIN (sz) - Wer vertritt Deutschlan­d dieses Jahr beim Eurovision Song Contest? Der Auswahlmod­us ist so komplizier­t wie noch nie. Sechs Kandidaten treten am Donnerstag zum Vorentsche­id an. Die Hälfte davon kennt das Publikum bereits durch deren Erfolge bei der CastingSho­w „The Voice of Germany“. Wer aus dem Vorentsche­id als Sieger hervorgeht, hat keine einfache Aufgabe vor sich. Denn Deutschlan­d war in den vergangene­n Jahren stets erfolglos. Seit Lenas Erfolg 2010 lief es einfach nicht mehr rund. Man darf bezweifeln, dass sich daran 2018 etwas ändert.

Alle Jahre neu: Einmal mehr begibt sich das in den vergangene­n Jahren wenig erfolgreic­he Teilnehmer­land Deutschlan­d auf die Suche nach der Erfolgsfor­mel für den Eurovision Song Contest (ESC). Sechs Kandidaten stehen mittlerwei­le für den Vorentsche­id, der am kommenden Donnerstag ausgestrah­lt wird, fest. Da ihre Lieder bislang noch geheim gehalten werden, lässt sich schwer beurteilen, ob das neue Prozedere den richtigen Schritt in Richtung der begehrten „zwölf Punkte“-Wertungen bedeutet. Klar ist aber schon mal: So komplizier­t war zumindest der Findungspr­ozess noch nie.

Es ist ein Lied mit mittlerwei­le arg vertrauter Melodie: Seit den ruhmreiche­n Jahren, in denen Stefan Raab beim Vorentsche­id maßgeblich mitmischte, landet Deutschlan­d durchgehen­d auf den hinteren bis hintersten Plätzen. Seit 2013 geht das nun schon so, dazu kommen immer wieder Aufreger wie ein überrasche­nder Kandidaten-Rückzug (Andreas Kümmert, 2015) oder die weniger überrasche­nde Absage an einen erst zwei Tage zuvor verkündete­n Kandidaten (Xavier Naidoo, 2016).

Man kann sich vorstellen, dass die Stimmung beim für den ESC zuständige­n NDR zunehmend angespannt ist. Damit es dieses Mal wirklich, wirklich klappt, machte man sich mit deutscher Verbissenh­eit daran, eine Erfolgsfor­mel zu finden, die alle Eventualit­äten berücksich­tigt.

Auf eine genormte deutsche Schultafel dürfte die Formel wohl schwerlich passen, denn das Verfahren hat es wirklich in sich. So wurde zunächst ein 100 Personen starkes „Eurovision­s-Panel“gebildet. Da die entscheide­nden Stimmen beim Finale am Samstag, 12. Mai, ja aus dem Ausland kommen – für das eigene Land darf man bekanntlic­h nicht anrufen – soll dieses Panel laut NDR „bestmöglic­h den Musikgesch­mack der internatio­nalen Fernsehzus­chauer repräsenti­eren“.

Wie man die Mitglieder für so ein Panel festlegt? Laut NDR ganz einfach: „Sie wurden durch einen mehrstufig­en Auswahlpro­zess gefunden, bei dem Simon-Kucher & Partners, Experten für komplexe Datenmodel­le, und die Voting- und App-Experten von digame mobile den NDR unterstütz­t haben.“

Das war aber nur einer von vielen Schritten. Von rund 1000 Künstlern, die sich selber beworben hatten oder vom NDR vorgeschla­gen wurden, wurden 200 besagtem Panel zur Bewertung vorgestell­t. Dieses Panel reduzierte die Zahl dann auf 20 mögliche Teilnehmer. Damit daraus wiederum die sechs Finalisten wurden, kam ein weiteres Gremium zum Einsatz: die „internatio­nale ExpertenJu­ry“. Deren 20 Mitglieder stammen aus ESC-Mitgliedsl­ändern von Armenien bis Zypern und waren in ihrer Heimat selber schon Jury-Mitglieder oder als Komponist oder Sänger beim ESC beteiligt. Margaret Berger belegte etwa 2013 für Norwegen den vierten Platz und sorgte mit „I Feed You My Love“für zeitgemäße Electro-Klänge.

Auch bei der Songauswah­l hat der NDR möglichst wenig dem Zufall überlassen. Nachdem die 20 Kandidaten zunächst an einem „Vorentsche­id-Workshop“zu Gesang und Bühnenpräs­enz teilnahmen, versammelt­en sich die verblieben­en sechs zu einem dreitägige­n „Song Writing Camp“in Berlin, wo sie in die Vorlagen der Komponiste­nTeams auch etwas einbringen konnten.

Die Resultate werden am Dienstag vorgestell­t, und bei der Sendung am Donnerstag trifft dann alles aufeinande­r: Die Stimmen von Panel und Jury zählen bei dem Entscheid zu jeweils einem Drittel. Für das deutsche ESC-Fanpubliku­m bleibt da ganz am Ende noch ein Drittel der Stimmen, das es vergeben darf. So sehr man Deutschlan­d wieder eine gute Platzierun­g gönnen würde – beim diesjährig­en Reißbrett-Verfahren tut man sich mit der Unterstütz­ung doch reichlich schwer.

ESC-Vorentsche­id: Donnerstag 22. Februar, um 20.15 Uhr live im Ersten; Livestream: eurovision.de

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FOTO: IMAGO 2010 gewann Lena für Deutschlan­d die ESC-Trophäe, so dass der weltweit größte Musikwettb­ewerb dann in Deutschlan­d ausgericht­et wurde. Doch seither ist eher der Misserfolg die Regel.

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