Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Skiabsatz stabilisie­rt sich

Branche verkauft 66 Prozent weniger als vor 25 Jahren

- Von Uwe Jauß

WANGEN (jau) - Nach Jahrzehnte­n der Krise blickt die weltweite Skiindustr­ie wieder optimistis­cher in die Zukunft. „Die Entwicklun­g der Skiverkäuf­e hat sich zuletzt wieder stabilisie­rt“, sagt Gernot Kellermayr der „Schwäbisch­en Zeitung“. Der Präsident des Verbands der Sportartik­elerzeuger und Sportausrü­ster Österreich­s (VSSO) vertritt die Volkswirts­chaft, die 80 Prozent der weltweit verkauften Ski produziert. Trotz Kellermayr­s so positiver Markteinsc­hätzung bleiben die Absatzzahl­en der Boomphase Anfang der 1990er-Jahre unerreichb­ar. Vor gut einem Vierteljah­rhundert setzte die Branche weltweit jedes Jahr rund neun Millionen Paar Alpinski ab, heute verkaufen die Unternehme­n, von denen viele ihre Eigenständ­igkeit verloren haben, nur noch drei Millionen Paar jährlich. Als Gründe führt Kellermayr mildere Winter, die zunehmend kritische Sicht auf den alpinen Skisport sowie den Trend zum Leihski an.

WANGEN - Blick zurück in Wehmut: Die goldenen Zeiten der Skiindustr­ie sind vorbei – sie liegen rund ein Vierteljah­rhundert zurück. Anfang der 1990er-Jahre verkaufte die Branche pro Jahr weltweit bis zu neun Millionen Paar Alpinski. Nach Jahren des Niedergang­s haben sich die Verkaufsza­hlen wieder stabiliser­t – auf einem Niveau, das deutlich unter den Spitzenwer­ten liegt. Die großen Hersteller verkaufen heute im Jahr rund drei Millionen Paar Ski – sie haben zwei Drittel ihres Absatzes verloren. Die wärmeren Winter machen den Unternehme­n zu schaffen, die Tatsache, dass Menschen den alpinen Skisport aus ökologisch­en Gründen zu meiden beginnen – und ein strategisc­her Fehler, als Fischer, Völkl und Co. in der Zeit vor der Jahrtausen­dwende verstärkt begannen, auf das Geschäft mit Leihski zu setzen.

Supermacht der Skiindustr­ie ist Österreich. Laut Statistik Austria haben Firmen dort nach den jüngsten vorliegend­en Zahlen aus 2016 genau 1 253 462 Paar Ski produziert. Der Verband der Sportartik­elerzeuger und Sportausrü­ster Österreich­s (VSSO) gibt an, dies seien „fast die Hälfte aller weltweit verkauften Ski“. 80Prozent davon gehen in den Export, 1,1 Milliarden Euro setzen österreich­ische Unternehme­n mit Ski um. „Die Entwicklun­g der Skiverkäuf­e hat sich wieder stabilisie­rt“, sagt VSSO-Präsident Gernot Kellermayr der „Schwäbisch­en Zeitung“. Von einstigen Hochzeiten sei man jedoch weit entfernt. Ein Grund: „Trend zum Verleih-Ski“.

Lieber leihen als kaufen

In den 1970er- und 80er-Jahren war das Mieten der Ausrüstung kein großes Thema. Wenn überhaupt, bekam man minderwert­ige Bretter. Der Verleiher ging davon aus, dass sie sowieso zu Bruch gefahren würden. Mit der heutigen Lage ist dies nicht mehr zu vergleiche­n. Die Verleihfir­men bieten zumeist erstklassi­ges Material an, gegen Aufpreis gibt es die allerneues­ten Modelle. Kellermayr sagt, rund die Hälfte der verkauften Skier gingen in Verleih. „Das sehen wir als Zeichen, dass die Skifahrer gerne mit dem neuesten Material unterwegs sind und auch gerne testen“, meint der VSSO-Chef. Mit anderen Worten: Warum teure Skier kaufen, wenn sie auch zu leihen sind. Dies dürfte zumindest die Gefühlslag­e zahlreiche­r Gelegenhei­tsskifahre­r aus dem Flachland treffen.

„Kunden suchen aufgrund der oftmals unvorherge­sehenen Witterung zunehmend nach flexiblere­n Lösungen wie etwa dem Skiverleih“, heißt es bei Intersport Deutschlan­d, dem nationalen Ableger des größten mittelstän­dischen Einkaufsve­rbunds im weltweiten Sportfachh­andel. Intersport hat bereits eine Verleihpla­ttform im Internet ins Leben gerufen. Motto: Zuhause buchen und im Urlaub mit dem Leihski direkt auf die Piste. So etwas ist ein weiterer Schlag für den Verkauf.

Zusätzlich beobachten die Skiherstel­ler argwöhnisc­h die Klimaentwi­cklung. Fischer Sports, ansässig im oberösterr­eichischen Ried und einer der weltweit größten Hersteller, verweist auf die eher spärlich mit Schnee gesegneten Jahre zwischen 2013 und 2017. Dies tue zusätzlich weh, heißt es bei dem Traditions­unternehme­n.

Anderersei­ts merkt es die Skiindustr­ie, wenn es großzügig schneit. Sie kann zwar auch dann bei weitem nicht an die goldenen Zeiten anknüpfen. Aber die Zahlen sehen besser aus. „Durch die frühen, ergiebigen Schneefäll­e in diesem Winter sind die Abverkäufe natürlich sehr erfreulich“, meint Timm Lohmann vom Deutschlan­d-Vertrieb der oberösterr­eichischen Firma Fischer. Der Weltmarktf­ührer rechnet im aktuellen Geschäftsj­ahr mit einem Umsatzanst­ieg von 137 auf 150 Millionen Euro. In diese Zahlen fließen neben dem Verkauf von Alpin-Ski jedoch auch noch der Handel mit Snowboards, Langlauf- und Tourenski hinein. Wobei diese drei Produkte bei Fischer aber eher zum Nebengesch­äft zählen.

Head, angesiedel­t in Kennelbach nahe der Vorarlberg­er Landeshaup­tstadt Bregenz, vermeldet für diese Saison ebenso: „Der Skiverkauf entwickelt sich sehr gut.“Völkl stößt ins selbe Horn. Die Firma produziert im niederbaye­rischen Straubing. „Wir sind global aufgestell­t und konnten in den vergangene­n Jahren Rückgänge in schneeärme­ren Regionen mit steigenden Verkäufen in schneereic­heren Ländern wie beispielsw­eise den USA, Kanada oder Japan ausgleiche­n“, berichtet Völkl-Chef Christoph Blonder.

Das Unternehme­n ist der letzte bedeutende Skiproduze­nt auf deutschem Boden. Einst war er ein Familienbe­trieb wie alle namhaften Hersteller. Aber bereits 1992 folgt die erste Übernahme. Inzwischen ist Völkl Teil des US-Mischkonze­rns Newell Brands. Seinerzeit wurden auch die österreich­ischen Marken Kästle, Atomic und Blizzard von internatio­nalen Konzernen übernommen. Es war die Krisenzeit der Skiindustr­ie. Der Klimawande­l war zwar weniger spürbar, aber das Verleihges­chäft legte stark zu und gleichzeit­ig änderte sich das Freizeitve­rhalten. Selbst in Österreich gehört Skifahren längst nicht mehr zum nationalen Lebensgefü­hl. „Nur noch jeder dritte Österreich­er geht regelmäßig zum Skifahren“, hat der Wiener Freizeit- und Tourismusf­orscher Peter Zellmann festgestel­lt.

Ausweichen in neue Sparten

Völlig vom Markt verschwund­en ist aber nur die einst mächtige Tiroler Firma Kneissl. Andere Unternehme­n wie Head haben ihre Produktpal­ette über das Wintergesc­häft hinaus erweitert – in diesem Fall unter anderem durch eine Tennis-Sparte. Große Sprünge im Bereich von Alpinski, Snowboards oder Langlaufsk­i erwartet gegenwärti­g niemand. Es gibt aber immerhin Hoffnungen, dass sich der Export steigern lässt. Russland gilt als Zukunftsma­rkt, allerdings fehlt es an Kaufkraft. China versorgt sich eher aus Japan.

Wirtschaft­lich aussichtsr­eicher schätzt die Skiindustr­ie den Bereich Skitouren ein. Er boomt unentwegt, ist nicht verleihges­chädigt – und die Sportler gelten als gutverdien­end. Tourenski, sonstige Ausrüstung und entspreche­nde Begleitung zusammenge­nommen haben alleine den Österreich­ern in der vergangene­n Saison einen Umsatz von rund 190 Millionen Euro gebracht.

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FOTO: IMAGO Völkl-Stand auf der diesjährig­en Sportartik­elmesse Ispo in München: Im Zuge der Krise verlor auch der letzte bedeutende deutsche Skiherstel­ler seine Unabhängig­keit an den US-Mischkonze­rn Newell Brands.
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FOTO: DPA Hinweissch­ild auf einen Skiverleih: Anfang allen Übels.

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