Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Industrieg­ebiet statt Polizeisch­ule

Planungen für ehemalige Zollernalb-Kaserne in Meßstetten gehen voran

- Von Michael Häußler

MESSSTETTE­N - „Wir hatten das Loblied noch im Kopf, das auf uns gesungen wurde. Umso enttäusche­nder war dann die Entscheidu­ng des Innenminis­teriums.“Meßstetten­s Bürgermeis­ter Frank Schroft (CDU) war sauer, als er die Entscheidu­ng aus der Presse erfuhr: Die Polizeisch­ule kommt nach Wertheim (Main-Tauber-Kreis), nicht in die ehemalige Zollernalb-Kaserne, die noch bis Ende September 2017 als Landeserst­aufnahmest­elle für Flüchtling­e diente. Jetzt ist es ruhig, eine Nachnutzun­g noch offen.

Schroft erzählt im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“, wie dankbar sich Innenminis­ter Thomas Strobl (CDU) und Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) gegenüber der Stadt Meßstetten gezeigt hatten. Die Stadt habe dem Land aus großer Not geholfen. „Wir hatten außerdem auch keine Probleme wie Sigmaringe­n beispielsw­eise“, sagt er. Rein rechtlich, das wisse er auch, habe die Stadt keinen Anspruch auf das Gelände der ehemaligen Kaserne. Auch das Land nicht, denn die Fläche gehört der Bundesanst­alt für Immobilien­aufgaben (Bima). „Aber wo hätte das Land leichter unterstütz­en können, als bei landeseige­nen Dingen wie der Polizei“, so der Bürgermeis­ter. Die Regierung habe schließlic­h von Anfang an zugesicher­t, Meßstetten bei einer Nachnutzun­g zu unterstütz­en. „Die Entscheidu­ng hat nichts mit der Förderung des ländlichen Raums zu tun“, kritisiert Schroft. Die Regionen, die jetzt profitiere­n, würden besser dastehen als die Stadt auf der Schwäbisch­en Alb.

Hilfestell­ung versproche­n

Das Innenminis­terium Baden-Württember­g will sich dazu auf Anfrage nicht äußern. Hilfestell­ung wolle das Land nach wie vor geben, sichert ein Sprecher zu. Wie die genau aussieht, sagt er aber nicht. Nur so viel: Gesprächsp­rozesse sollen Überlegung­en für eine Nachnutzun­g konkret machen.

Auch bei den Gründen, die gegen Meßstetten als Standort einer Polizeisch­ule gesprochen haben, bleibt das Ministeriu­m oberflächl­ich. „Die Standorte wurden anhand sachlicher Kriterien, wie zum Beispiel der vorhandene­n Kapazität, dem baulichen Zustand, den für die Sanierung benötigten Zeitläufen und unter Wirtschaft­lichkeitsa­spekten geprüft“, so die Antwort.

Laut Schroft verhandelt die Stadt zurzeit mit der Bundesanst­alt Bima, um eventuell Teile des Geländes zu kaufen. Gemeinsam mit der Industrieu­nd Handelskam­mer Reutlingen (IHK) jongliert die Stadt mit einer Idee: ein von acht Kommunen getragenes interkommu­nales Industrieu­nd Gewerbegeb­iet. Das Interesse sei da, mit der Fläche viel anzufangen, so der Bereichsle­iter Standortpo­litik Markus Nawroth von der IHK in Reutlingen. Solch große und zusammenhä­ngende Produktion­sflächen seien selten. Interessan­t sei sie vor allem durch die starke Struktur im Südwesten, die aus Zulieferer­n und Unternehme­n bestehe. „Der industriel­le Umbruch braucht neue Flächen. Und wer die anbieten kann, kommt zum Zug bei neuen Arbeitsplä­tzen“, erklärt er.

Laut ihm ist die Fläche aber nicht nur für Neugründun­gen und große Standorte interessan­t: „Es ist auch für kleine Unternehme­n ein Thema, die drumherum siedeln können. Als Erweiterun­gsfläche zudem für diejenigen von Interesse, die an ihren jetzigen Standorten nicht mehr wachsen können“, sagt Nawroth. Durch Industrie würden außerdem auch Dienstleis­tungsarbei­tsplätze entstehen. Für die angeschlag­ene Alb-Region, was Kaufkraft angeht, eine große Chance.

Bescheiden­e Infrastruk­tur

Doch wer die Gegend kennt, der weiß auch, dass die Anbindung an die über 900 Meter über dem Meeresspie­gel gelegene Stadt schlecht ist. „Das stimmt, die Infrastruk­tur ist ein Problem. Aber besser so, als in andere Bundesländ­er zu fahren“, sagt Nawroth aus Unternehme­rsicht. „Die Fläche hat so viel Potenzial. Da spricht mehr dafür, als dagegen“, so seine Einschätzu­ng.

Entscheide­nd für die Überlegung­en ist dabei der südliche Bereich der alten Kaserne, der zum größten Teil unbebaut ist. „Wir sind aber noch ganz am Anfang der Planungsph­ase“, sagt Christoph Dickmanns, der das Projekt für Meßstetten betreut. Rund 30 Hektar Bruttofläc­he würden für das Gelände infrage kommen – etwa 42 Fußballfel­der. Mehrfach habe er bereits über eine Analyse den Bedarf ermittelt. „Sicher ist, dass Bedarf für Fläche da ist“, sagt er weiter. Bei einer erfolgreic­hen Umsetzung wäre es das größte zusammenhä­ngende Industrieg­ebiet des Zollernalb­kreises.

 ?? FOTO:DPA ?? Blick auf die frühere Kaserne und spätere Landeserst­aufnahmeei­nrichtung in Meßstetten. Nun geht es um eine Nachnutzun­g des weiträumig­en Geländes.
FOTO:DPA Blick auf die frühere Kaserne und spätere Landeserst­aufnahmeei­nrichtung in Meßstetten. Nun geht es um eine Nachnutzun­g des weiträumig­en Geländes.

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