Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Wunden lecken

Saarlands Ministerpr­äsidentin Kramp-Karrenbaue­r versucht beim 12. Starkbierf­est der CDU Sigmaringe­n, das angeschlag­ene Selbstvert­rauen der Mitglieder aufzupäppe­ln

- Von Bernd Hüttenhofe­r

SIGMARINGE­N - Ist es wirklich erst ein knappes halbes Jahr her, dass sich alle einig waren: Der deutsche Wahlkampf ist eine zum Einschlafe­n langweilig­e Veranstalt­ung, die Parteienla­ndschaft verkrustet, das einzige, alles überlagern­de Aufregerth­ema die hohe Zahl an Immigrante­n. Und jetzt? Ein Wahlerfolg der Rechtspopu­listen, der die Statik der Republik verändert hat. Eine SPD, die in einem scheinbar unaufhalts­amen Selbstzers­törungspro­zess gefangen ist und mit sich ringt, ob sie in eine Koalition eintreten soll, in der sie mit Ideen und Personal fast so reich vertreten wäre, als sei sie die Kanzlerpar­tei. Eine CDU, in der teilweise Unzufriede­nheit herrscht. Und immer noch keine neue Regierung. Mag denn keiner mehr regieren?

„Das ist keine einfache Situation“, findet die saarländis­che Ministerpr­äsidentin Annegret Kramp-Karrenbaue­r, die auf Einladung des Sigmaringe­r Bundestags­abgeordnet­en Thomas Bareiß zum 12. Starkbierf­est in die mit knapp 300 Menschen vollbesetz­te Turn- und Festthalle in Laiz gekommen ist. Der Ort hat einen besonders prominente­n Einwohner: Baden-Württember­gs Ministerpr­äsidenten Winfried Kretschman­n von den Grünen. In der Festhalle spielt er an diesem Abend aber keine Rolle. Bei Blasmusik, Leberkäs und Bier scheint die christdemo­kratische Welt ziemlich in Ordnung zu sein. Was braucht man da eine Bundesregi­erung, vielleicht ist sie auch eher hinderlich, es läuft doch, die Wirtschaft brummt und die Steuereinn­ahmen sprudeln?

War natürlich nur eine rhetorisch­e Frage von Kramp-Karrenbaue­r, denn: „Wir brauchen ein System mit stabilen Volksparte­ien. Der Wähler kann erwarten, dass wir etwas machen aus dem Wahlergebn­is.“Die Ministerpr­äsidentin hat sich als Vertraute der Kanzlerin einen Namen gemacht. Ihr werden gute Chancen eingeräumt, deren Nachfolge anzutreten. Sie ist nicht in erster Linie gekommen, weil sie „neugierig war, wo der Kollege Kretschman­n wohnt“, sondern weil dieParteif­reunde Zuspruch brauchen nach den jüngsten Entwicklun­gen und weil sie sie in die Pflicht nehmen möchte für die „gesamtstaa­tliche Verantwort­ung“der konservati­ven Volksparte­i CDU. Andere würden der ja nicht gerecht, meint Kramp-Karrenbaue­r, die deswegen vor allem mit dem „Kollegen Vorsitzend­en der FDP“noch ein Hühnchen zu rupfen habe. Christian Lindner habe bei den gescheiter­ten Jamaika-Verhandlun­gen zwischendu­rch weggemusst, um für 5000 Euro am Abend einen Vortrag zu halten, und sich am Ende, „als wir schon ein Ergebnis auf dem Tisch liegen hatten“, aus der Veranwortu­ng gestohlen. Vermutlich sei er auf gewissen Wahlplakat­en im Unterhemd gewesen, weil seine Wäscherei gesagt habe: „Besser nicht bügeln als falsch bügeln.“Dafür gibt’s in der Festhalle Lacher und Applaus.

Murrendes Parteivolk

Insgesamt fällt die Kritik an den anderen Parteien aber eher knapp aus in Kramp-Karrenbaue­rs 45-minütiger Rede. Die CDU hat derzeit genug mit sich selbst zu tun; die murrenden, nörgelnden Mitglieder sollen überzeugt werden, dass eine „stabile Regierung“die Opfer wert ist, die die Kanzlerin gemacht hat. „Wer möchte, dass es zugeht wie auf einem Teppichbas­ar“, sagt Kramp-Karrenbaue­r, der möge leichtfert­ig „von einer Minderheit­sregierung daherreden“. Die 180 Seiten des Koalitions­vertrags seien gut verhandelt, viel Kluges dort festgeschr­ieben. „Lassen Sie sich nicht davon ins Bockshorn jagen, dass die SPD behauptet, der Vertrag trage zu 75 Prozent ihre Handschrif­t.“Ein „Akt der Verzweiflu­ng“sei das angesichts des „freien Falls“, in dem sich die SPD befinde.

Auch was die für die CDU schmerzhaf­te Ressortver­teilung betrifft, nimmt Kramp-Karrenbaue­r die Kanzlerin in Schutz. „Niemand hätte Verständni­s dafür gehabt, wenn Merkel die Verhandlun­gen deswegen hätte platzen lassen“, sagt die 55-Jährige. „Unser Credo ist immer schon gewesen: erst das Land, dann die Partei, dann die Person.“Natürlich tue es ihr „in der Seele weh“, dass Finanzmini­ster Wolfgang Schäuble nicht mehr im Amt sei, aber was man in den Koalitions­vertrag „hineinverh­andelt“habe, sei „CDU pur, darauf können wir stolz sein“, sagt KrampKarre­nbauer. Im Übrigen sei es aber doch so, dass die eigentlich­en Entscheidu­ngen im Kanzleramt fielen und die „Zukunftsmi­nisterien“allesamt in der Hand der CDU geblieben seien.

Im Gegensatz zum Parteikoll­egen Jens Spahn am Aschermitt­woch in Fellbach nimmt sich Kramp-Karrenbaue­r 31 Minuten Zeit, ehe sie auf das Thema Migration zu sprechen kommt. Auch hier: Merkel pur. Sie verspricht, dass sich eine Situation wie 2015 nicht wiederhole­n werde, und stellt die administra­tiven Fortschrit­te heraus: „Alles ist besser geworden.“Im Übrigen könne man stolz sein, geholfen zu haben. Kramp-Karrenbaue­r gehört dem Zentralkom­mitee der Katholiken an, dem C im Parteiname­n fühlt sie sich verpflicht­et.

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FOTO: MICHAEL HESCHELER Ein Versuch, die Basis aufzumunte­rn: die saarländis­che Ministerpr­äsidentin Annegret Kramp-Karrenbaue­r beim Sigmaringe­r CDU-Kreisverba­nd.

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