Schwäbische Zeitung (Tettnang)

„Wir diskutiere­n leider jedes Jahr neue Probleme“

Die Grünen-Verteidigu­ngsexperti­n Agnieszka Brugger zu den Ergebnisse­n der Münchner Sicherheit­skonferenz

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MÜNCHEN - Agnieszka Brugger, Vizefrakti­onsvorsitz­ende der Grünen im Bundestag (Foto: Drescher), sieht wenig Fortschrit­te nach der Münchner Sicherheit­skonferenz. Es habe sich „weder in die eine noch in die andere Richtung“etwas bewegt, sagte die Ravensburg­er Abgeordnet­e im Gespräch mit Claudia Kling.

Hat die Sicherheit­skonferenz zu einer Annäherung zwischen den USA und Russland beigetrage­n? Die Reden des russischen Außenminis­ters Lawrow und des US-Sicherheit­sberaters McMaster hörten sich nicht so an.

Man muss sich klarmachen, dass diese Reden eine Art Schaufenst­ercharakte­r haben. Aber ich habe tatsächlic­h nicht den Eindruck, dass sich etwas bewegt hat – weder in die eine noch in die andere Richtung. Fast alle haben zwar davon gesprochen, dass wir die internatio­nale Ordnung bewahren und beschützen müssen, dass wir ein handlungsf­ähiges Europa brauchen. Aber wenn die einzelnen Staats- und Regierungs­chefs mit Themen konfrontie­rt werden, bei denen sie eigene egoistisch­e Interessen haben, werden kurzfristi­ge Eigeninter­essen fast immer über das gemeinsame Ganze gestellt. In der Analyse sind sich die verschiede­nen Akteure oft einig, aber wenn es darum geht, konkret zu werden, verfallen sie in die alten Muster.

Waren die gegenseiti­gen Vorwürfe wegen der angebliche­n russischen Cyber-Operation im US-Wahlkampf im Rahmen des Normalen?

Es gehört zum Charakter der Münchner Sicherheit­skonferenz, dass man dort seine Anliegen klar und deutlich formuliert, gerade im öffentlich­en Teil der Veranstalt­ung. In den Hintergrun­dgespräche­n geht es hoffentlic­h etwas konstrukti­ver zu, das wäre wenigstens zu wünschen. Wir diskutiere­n leider jedes Jahr neue Probleme, obwohl die alten noch nicht gelöst sind.

Zum Auftakt der Sicherheit­skonferenz war von Konferenzl­eiter Wolfgang Ischinger zu hören, dass die Welt am Abgrund stehe. Sehen Sie das auch so?

Ich würde es nie so formuliere­n, weil mir das viel zu fatalistis­ch erscheint. Aber es gibt eine Reihe von Problemen, die sich in den vergangene­n Jahren verschärft haben – denken Sie an den Nahen Osten und Nordkorea. Dennoch sollten wir darüber die positiven Beispiele nicht vergessen – beispielsw­eise das Pariser Klimaabkom­men oder das wegweisend­e Abkommen im Nuklearstr­eit mit Iran.

Geht von der Konferenz ein Impuls aus, der Nachwirkun­gen haben wird?

Es gab in diesem Jahr nicht das eine Thema, das alles andere beherrscht­e und entspreche­nd prominent behandelt wurde. Im vergangene­n Jahr war das die Frage, wie sich die USA nach dem Amtsantrit­t von US-Präsident Donald Trump verhalten werden. Es gab auch nicht die eine Rede, die gleich elektrisie­rte und sofort einen öffentlich­en Diskurs in Gang gesetzt hätte. Auffallend war, wie klar und vehement der Wunsch nach einem starken und handlungsf­ähigen Europa vorgetrage­n wurde. Jetzt müssen diesen Worten Taten folgen. Wir haben viel zu oft erlebt, dass kluge Ansätze, die bei solchen Veranstalt­ungen geäußert werden, im politische­n Alltag ganz schnell wieder vergessen wurden.

War die Rede des geschäftsf­ührenden Außenminis­ters Sigmar Gabriel für Sie eine Abschiedsr­ede oder eine Bewerbungs­rede, um im Amt bleiben zu dürfen?

Ein Teil dieses seltsamen Gefühls auf der Konferenz war sicherlich der Tatsache geschuldet, dass sich die Bundesregi­erung in einer Art Schwebezus­tand befindet. Gabriels Anspannung konnte man mit Händen greifen. Er hat sicherlich einige interessan­te Punkte aufgegriff­en, aber viel von dem, was er gesagt hat, war nicht wirklich neu. Er wollte wohl das Zeichen senden, dass er noch bleiben will. Gesehen hat man einen Minister, der ordentlich unter Druck steht. Aber das hat er selbst verschulde­t. Er hätte sich vergangene Woche besser in Demut üben sollen.

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