Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Lidl bringt Schweinewi­rte in Rage

Kritik an Import von „polnischer Rohwurst“– Verunsiche­rung wegen Afrikanisc­her Schweinepe­st

- Von Alexia Angelopoul­ou

STUTTGART (dpa) - Ein Wurst-Angebot des Discounter­s Lidl hat für Ärger bei deutschen Schweinewi­rten gesorgt. Das Fleisch für Wurstwaren der Lidl-Eigenmarke „Kuljanka“– darunter Rohwurst – stammt zum Teil aus Polen, wo derzeit im Nordosten die Afrikanisc­he Schweinepe­st wütet. Sie breitet sich in Osteuropa immer schneller aus.

Schweineba­uern fürchten, dass das Virus per Wurstimpor­t nach Deutschlan­d kommen könnte. An der Aufregung ist das Bundesland­wirtschaft­sministeri­um nicht unschuldig: Hier wird davor gewarnt, dass Fernfahrer und Saisonkräf­te aus Osteuropa infizierte Fleisch- und Wurstwaren mitbringen könnten. Wenn diese etwa an Raststätte­n auf die Wiese geworfen und dort von Wildschwei­nen gefressen werden, könne sich die Seuche ausbreiten.

Lidl verweist auf strenge Qualitätsk­ontrollen und saubere Zulieferer, der Verband der Fleischwir­tschaft warnt vor Panikmache, aber die Verwirrung und die Ängste hinsichtli­ch der Afrikanisc­hen Schweinepe­st (ASP) bleiben groß. „Wie soll Lidl zu 100 Prozent ausschließ­en, dass hier kein bereits erkranktes Schwein geschlacht­et und verarbeite­t wurde?“, kommentier­t ein Leser auf der Webseite der Fachzeitsc­hrift „Top Agrar“. Das Medium hatte das Lidl-Angebot als erstes thematisie­rt und damit den Nerv zahlreiche­r Tierhalter getroffen.

In Deutschlan­d gibt es bisher keine Fälle der Afrikanisc­hen Schweinepe­st. Doch die Zahlen aus Osteuropa sind alarmieren­d. Neuerkrank­ungen von Wild- und auch Hausschwei­nen werden vor allem in Litauen und Polen verzeichne­t. „Dort wurden im Jahr 2015 insgesamt 1639 Fälle gemeldet – aktuell haben wir schon über 1000 Fälle in den vergangene­n zwei Monaten“, sagt Elke Reinking, Sprecherin des FriedrichL­oeffler-Instituts (FLI), dem Bundesfors­chungsinst­itut für Tiergesund­heit. Menschen erkranken generell nicht an dem Erreger. Das Institut verweist auch darauf, dass nichts gegen ganz normale Lebensmitt­el aus jenen Regionen in Polen spricht, die nicht betroffen sind.

Darauf beruft sich auch Lidl. Der Rohstoff für die Wurstwaren stamme sowohl aus Zentral- als auch aus Osteuropa, teilte das Unternehme­n mit. Und weiter: „In Ländern, die von der Afrikanisc­hen Schweinepe­st betroffene­n sind, beziehen wir ausschließ­lich Rohstoffe aus den sogenannte­n freien Gebieten, in denen gemäß des Durchführu­ngsbeschlu­sses 2018/169 der Europäisch­en Kommission vom 1. Februar keine Beschränku­ngen aufgrund der ASP vorliegen.“

Ob es 100-prozentige Sicherheit gibt, wie die Landwirte fordern, bleibt offen. „Wer tonnenweis­e Rohstoff einkauft, müsste Tausende von Schweinen prüfen, um absolute Sicherheit zu haben. Das wird nie gehen, es wäre auch zu kosteninte­nsiv“, sagt Veterinär Otto Hornstein vom Schweinege­sundheitsd­ienst der Tierseuche­nkasse Baden-Württember­g. „Eigentlich dürfte ja auch gar nichts in die Lebensmitt­elkette gelangen, aber es passiert eben doch auch immer wieder.“Hornstein und seine Kollegen führen deshalb vorsorglic­h für die Landwirte Info-Veranstalt­ungen durch.

Tiere schützen durch Hygiene

Für die Fernfahrer und Saisonkräf­te aus ASP-Gebieten wie Polen, Russland und der Ukraine hat das Bundesland­wirtschaft­sministeri­um an Raststätte­n nun mehrsprach­ige Hinweispla­kate angebracht mit dem Aufruf, Essensrest­e unbedingt in geschlosse­ne Mülleimer zu entsorgen.

Das Virus überlebt gerade in Wurst und sogar in tiefgekühl­tem Fleisch ausgezeich­net – es hält sich monatelang, sagt Elke Reinking vom FLI. Sie glaubt, dass die Afrikanisc­he Schweinepe­st Deutschlan­d durchaus treffen kann – wenn auch nicht wegen der Wurst von Lidl. Wie Tierarzt Hornstein empfiehlt auch sie: „Jetzt ist es die Zeit für Schweineha­lter, vorzusorge­n und zu schauen, ob man sich an die Schweineha­ltungshygi­eneverordn­ung hält. Durch Hygiene hat man gute Voraussetz­ungen, seine Tiere zu schützen.“

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FOTO: DPA Polnische Rohwurst aus Schweinefl­eisch.

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