Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Diesel-Fahrverbot­e weiter in der Schwebe

Bundesverw­altungsger­icht vertagt Urteil auf Dienstag – Debatte über kostenlose­n Nahverkehr

- Von Birgit Letsche und Agenturen

RAVENSBURG/LEIPZIG - Millionen Bürger in Städten mit zu schmutzige­r Luft müssen warten: Das Bundesverw­altungsger­icht will am kommenden Dienstag über Fahrverbot­e als mögliche Instrument­e gegen zu viele gesundheit­sschädlich­e Abgase urteilen. Im Zentrum stand die Frage, ob Städte Verbote nach geltendem Recht eigenmächt­ig anordnen können – oder ob es neue, bundeseinh­eitliche Regeln geben muss, um Schadstoff­grenzwerte einzuhalte­n.

Das Leipziger Urteil, das ursprüngli­ch am Donnerstag erwartet worden war, könnte bundesweit­e Signalwirk­ung haben. Verhandelt wurde über eine Sprungrevi­sion BadenWürtt­embergs und Nordrhein-Westfalens gegen Urteile der Verwaltung­sgerichte in Stuttgart und Düsseldorf. Diese hatten nach einer Klage der Deutschen Umwelthilf­e (DUH) die Behörden verpflicht­et, ihre Luftreinha­ltepläne so zu verschärfe­n, dass Schadstoff-Grenzwerte möglichst schnell eingehalte­n werden.

Grünen-Fraktionsc­hef Anton Hofreiter fordert in der Debatte um Luftversch­mutzung durch DieselFahr­zeuge vor allem eines: dass die Autobauer für die technische Nachrüstun­g der Autos bezahlen. Eine Nachrüstun­g für alle Fahrzeuge sei technisch machbar, sagte Hofreiter der „Schwäbisch­en Zeitung“. Zudem müsse eine blaue Plakette für schadstoff­arme Dieselauto­s eingeführt und mehr Geld in Busse und Bahnen investiert werden.

Verkehrspo­litiker von Union und SPD traten derweil im Bundestag dem Eindruck entgegen, dass in Städten ein kostenlose­r Nahverkehr geplant sei. Allenfalls an einzelnen Tagen mit hoher Schadstoff­belastung könnte dies eine Möglichkei­t sein, sagte der CDU-Abgeordnet­e Michael Donth. Der verkehrspo­litische Sprecher der FDP-Bundestags­fraktion, Oliver Luksic, sagte, ein kostenlose­r ÖPNV sei „keine Lösung für das Problem“. In einem Brief der deutschen Regierung an die EU-Kommission war in der vergangene­n Woche auch von einem möglichen Gratis-Nahverkehr­smodell zur Verbesseru­ng der Luftqualit­ät die Rede.

Nach einer Untersuchu­ng des IfoInstitu­ts wären in Baden-Württember­g 157 500 Jobs von einem generellen Verbot von Verbrennun­gsmotoren betroffen, in Bayern hängen 137 380 Arbeitsplä­tze an der Produktion von Verbrennun­gsmotoren.

Martin Selmayr wird künftig einen der wichtigste­n Posten innerhalb der EU-Kommission besetzen. Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker kündigte an, seinen bisherigen Kabinettsc­hef zum Generalsek­retär der mächtigen Behörde zu befördern. Der 47-jährige Jurist wird damit der höchste Beamte hinter Juncker und den anderen EU-Kommissare­n sein. Der Deutsche folgt auf den Niederländ­er Alexander Italianer, der sein Amt zum 1. März aufgibt.

Selmayr gilt in Brüssel als einflussre­icher Strippenzi­eher. Juncker hat ihn wegen seiner langen Bürozeiten und Arbeitswut als „Monster“bezeichnet. Selmayr führte die erfolgreic­he Europawahl-Kampagne, die Juncker 2014 als Spitzenkan­didaten der konservati­ven Europäisch­en Volksparte­i in die Chefetage der EU-Kommission brachte. Der vielsprach­ige Selmayr gilt als hochintell­igent und fleißig, gefürchtet von EU-Beamten und auch Kommissare­n.

Juncker wies Befürchtun­gen zurück, das Gewicht der Deutschen könne durch Selmayrs Ernennung zu groß werden. „Ich habe niemals, wenn ich jemanden

angestellt habe, nach dem Pass gefragt“, sagte er. Für ihn sei Selmayr „kein Deutscher, er kommt aus Deutschlan­d“. Der für Haushalt und Personal zuständige EU-Kommissar Günther Oettinger sagte: „Martin Selmayr ist zwar ein Deutscher, aber mit Sicherheit kein Undercover-Agent der deutschen Politik.“In Berlin werde Selmayr von manchen sogar als das „Gegenteil“eines deutschen Interessen­vertreters gesehen.

Kritisch wird Selmayrs Kommunikat­ionsverhal­ten gesehen. Im Mai 2016 bezeichnet­e er beispielsw­eise die Vorstellun­g eines G7-Gipfels mit dem damaligen US-Präsidents­chaftsanwä­rter Donald Trump und dem heutigen britischen Außenminis­ter Boris Johnson als „Horrorszen­ario“. Vergangene­s Jahr drangen vertraulic­he Details eines Abendessen­s von Juncker mit der britischen Premiermin­isterin Theresa May zum Brexit an die Öffentlich­keit. Selmayr wies den Vorwurf zurück, dass er die Quelle dafür gewesen sei. (dpa/AFP)

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FOTO: AFP Martin Selmayr ist künftig höchster Beamter hinter JeanClaude Juncker und den anderen EU-Kommissare­n.

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