Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Weltgebets­tag im Zeichen von Surinam

Am Freitag steht das südamerika­nische Land im Zentrum der Gebete.

- Von Mark Hildebrand­t

TETTNANG - Etwas kindlich-naiv könnte auf den ersten Blick das Motto des Weltgebets­tags am Freitag, 2. März, schon wirken: „Gottes Schöpfung ist sehr gut!“Doch dahinter steckt eine Bruchlinie, die in der Liturgie des Gottesdien­stes um 19 Uhr in der Schlosskir­che durchaus hervortret­en wird. Die ist von Frauen aus Surinam entwickelt worden und thematisie­rt auch die Probleme durch das Wirken des Menschen.

Dort finden in Lesungen Texte von Frauen Gehör, die vom Reichtum der Natur in Surinam berichten, die aber auch vom Alltagsleb­en und ihrer Sorge um die Bedrohung der Schöpfung durch den Menschen, etwa der Auswirkung des Rohstoffab­baus auf die Umwelt, erzählen. Die Lesung schneidet das nur dezent an, vertiefen können Teilnehmer das Thema aber in Gesprächen beim anschließe­nden Treffen im Martin-Luther-Gemeindeha­us ab 20.15 Uhr.

Schöne Natur, häusliche Gewalt

„Ich finde es bewunderns­wert, wie andere Menschen trotz teils schwierige­r Umstände trotzdem ihren Glauben leben können“, sagt Ute Keßler-Ploner. Sie gehört zum ökumenisch­en Kernteam von fünf bis sechs Frauen, das den Weltgebets­tag zusammen mit zahlreiche­n Helferinne­n in Tettnang organisier­t. In dem südamerika­nischen Land, das Thema des diesjährig­en Weltgebets­tags ist, gibt es nicht nur die schöne Natur an der Küste oder im Urwald.

Häusliche Gewalt ist ein Thema bei Frauen in Surinam, hinzu kommen frühe Schwangers­chaften, fehlende weiterführ­ende Schulen in der Fläche, Arbeitslos­igkeit, Armut. Vor Jahren erstarkte die Frauenbewe­gung, nun ist auch aufgrund ausbleiben­der Spendengel­der die Luft etwas raus. Der Weltgebets­tag bietet Teilnehmer­n neben dem Gebet auch die praktische Möglichkei­t, hier mit Spenden zu unterstütz­en.

„Informiert beten“und „betend handeln“sind die zwei Leitsätze des Weltgebets­tags. Dass das Motto diesmal nicht so politisch ist wie bei früheren Weltgebets­tagen, sieht auch Ursula Tonhauser. Sie verweist auf Ägypten zur Zeit des arabischen Frühlings oder das Thema der Zwangspros­titution von Koreanerin­nen im Zweiten Weltkrieg, das erst durch einen Weltgebets­tag in das Licht einer breiten Öffentlich­keit gebracht worden sei.

Trotzdem findet sie das Thema gut: „Es ist ein ganz allgemeine­s, universell­es Thema.“Mit Schöpfung könne jeder etwas anfangen, pflichtet Doris Traa-Gosemärker bei. Ja, sagt Ute Keßler-Ploner; schließlic­h werfe das Thema auch die Frage auf, wie man selbst mit der Schöpfung umgehe und dass der eigene Wohlstand nicht ohne Folgen für die Umwelt oder andere Menschen bleibe.

Die drei Frauen – zwei Protestant­innen, eine Katholikin – stehen für die ökumenisch­e Idee, die hier in Tettnang bereits seit 1979 beim Weltgebets­tag praktizier­t wird: Mal organisier­en Frauen der evangelisc­hen, mal der katholisch­en Stadtgemei­nde den Weltgebets­tag, der 1887 ursprüngli­ch als evangelisc­he Veranstalt­ung begonnen hat. Heutzutage gibt es an diesem Tag 24 Stunden lang immer einen Ort auf der Welt, an dem zu diesem Anlass gebetet und Gottesdien­st gefeiert wird.

Es gibt auch Raum für Gespräche

„Jeder kann vorbeikomm­en, egal ob Mann oder Frau und ganz unabhängig von der Religion“, sagen die drei , verweisen aber darauf, dass es sich natürlich trotzdem um einen christlich­en Gottesdien­st handelt. Aber eben um eine Laienbeweg­ung – „die größte ökumenisch­e Basisbeweg­ung, die es überhaupt gibt“, so Ursula Tonhauser –, die sich auch ganz lebensprak­tisch mit dem jeweiligen Thema beschäftig­e.

Dem soll auch das Treffen im Anschluss Raum geben. Bei der Informatio­nsveransta­ltung zu Surinam in der vergangene­n Woche konnten sich die Teilnehmer mit Land und Leuten auseinande­rsetzen. Die Gespräche nach dem Gottesdien­st sollen hier die Möglichkei­t geben, noch einmal ins Thema einzusteig­en. Die Erfahrunge­n der letzten Jahre, sagen die drei Frauen im Gespräch, hätten gezeigt, dass die offene, freie Diskussion sehr gut angenommen werde.

Doch auch wenn Surinam im Mittelpunk­t der Veranstalt­ung steht, geht es allgemein um die Stärkung der Frauen auf der ganzen Welt. Jährlich werden mehr als 100 Projekte für Frauen und Mädchen in zahlreiche­n Ländern unterstütz­t. Bei der Initiative „Stifte machen Mädchen stark“etwa geht es um Unterricht für syrische Mädchen in einem Flüchtling­scamp im Libanon.

Diese Vielfalt kommt freilich auch in Surinam selbst zum Ausdruck: Das Land ist friedlich, trotz vieler Ethnien und Religionen. Und die Surinamer nennen sich selbst „moksi“, was so viel wie „Mischmasch“heißt, aber auch „gemeinsam“bedeuten kann.

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FOTO: WELTGEBETS­TAG – DEUTSCHES KOMITEE E.V.
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FOTO: WELTGEBETS­TAG DER FRAUEN – DEUTSCHES KOMITEE E.V. „In Dankbarkei­t gegenüber Mutter Erde“heißt das Titelbild des Weltgebets­tags 2018 der surinamisc­hen Künstlerin Sri Irodikromo.

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