Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Essener Tafel: Nach Kritik sucht Merkel den Ausgleich
Aufnahmestopp für Ausländer wird heftig diskutiert
ESSEN (dpa/KNA) - Die Enttäuschung ist groß bei den Ausländern vor der Essener Tafel. Sie stehen am Mittwochmorgen für eine neue Berechtigungskarte für Nahrungsmittel an, bekommen aber keine mehr. Derweil hält die politische Diskussion über das Thema an.
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) begrüßte am Mittwoch die Einrichtung eines runden Tischs zur Lösung der Probleme. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte, die Kanzlerin sehe den Einsatz von Ehrenamtlichen zur Verteilung von Lebensmitteln für Bedürftige mit „größtem Respekt“. Das habe sie auch in einem Telefongespräch mit dem Essener Oberbürgermeister Thomas Kufen (CDU) deutlich gemacht.
„Bedürftigkeit ist Bedürftigkeit. Dafür ist nicht die Staatsangehörigkeit die Richtschnur“, sagte Seibert. Beispiele in anderen Städten könnten eventuell für Essen hilfreiche Hinweise geben, wie das Problem angegangen werde. Entscheidungen müssten vor Ort getroffen werden. Allerdings sei zu klären, welche Hilfe von außen gegeben werden könne. Dies sei auch Aufgabe des runden Tischs.
Dobrindt gibt Essener Tafel recht
Die Essener Tafel stellt neue Berechtigungen zum Empfang von Lebensmitteln seit dem 10. Januar vorübergehend nur noch für Bürger mit deutschem Ausweis aus. Begründet wird dies mit einem hohen Ausländeranteil, weshalb sich etwa viele ältere Menschen nicht mehr wohlfühlten und das Hilfsangebot nicht mehr wahrnähmen. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt verteidigte den Beschluss der Essener: „Es ist richtig, dafür zu sorgen, dass es nicht zu einer Verdrängung kommt an der Tafel.“
Merkel hatte deutliche Kritik geäußert: „Da sollte man nicht solche Kategorisierungen vornehmen. Das ist nicht gut“, sagte sie. Nach ihrer Kritik war auch Merkel unter Beschuss geraten. „Wenn Helfer bedrängt werden, dann sollte die Politik die Tafel nicht kritisieren, sondern Hilfe anbieten“, sagte FDP-Chef Christian Lindner der „Bild“-Zeitung. Ähnlich äußerte sich Grünen-Chef Robert Habeck: „Letztlich baden Freiwillige aus, was die Politik versäumt hat. Die Antwort kann nur sein, dass wir Integration genauso vorantreiben wie den Kampf gegen Armut.“
Der innenpolitische Sprecher der Union im Bundestag, Stephan Mayer, äußerte, man müsse dem Eindruck entgegenwirken, dass wegen der „enormen Mittel, die der Staat für Flüchtlinge und Migranten aufwendet, hilfsbedürftige Deutsche schlechter gestellt werden“, sagte er.
Der AWO-Bundesvorsitzende Wolfgang Stadler nannte den Aufnahmestopp „ethnisch diskriminierend und für uns nicht akzeptabel“. Dem SWR sagte er, allerdings könnten die Tafeln die steigende Zahl der Bedürftigen nicht allein bewältigen. Die AWO fordere seit Jahren, die Regelsätze für Hartz-IV-Empfänger anzupassen. Caritas-Präsident Peter Neher sagte der „Bild“: „Statt kluger Ratschläge sollten die Verantwortlichen darin unterstützt werden, wie sie mit der offenbar schwierigen Situation umgehen, ohne zwischen einheimischen und ausländischen Bedürftigen zu unterscheiden.“