Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Der Fluch der Klingeltöne
Seit es Mobiltelefone gibt, ist das Leben für Besitzer derselben hektischer geworden. Das liegt nicht nur an der ständigen Erreichbarkeit, sondern auch an den Klingeltönen. Hand aufs Herz: Wer stellt schon den Standardklingelton um? Beim iPhone etwa heißt der Standard „Auftakt“– und kein Name könnte passender sein. Denn sobald dieser Standardklingelton erklingt, ist das der Auftakt: Alle Menschen in der Umgebung bleiben stehen.
Hektisch holen sie ihr Telefon aus der Tasche, schauen prüfend auf den Bildschirm. Bis irgendwann irgendwo in der Menge jemand „Hallo“sagt. Und „Schön, dass Du anrufst.“Oder „Du, ich kann jetzt nicht.“Was zur nächsten Beobachtung führt: Wer noch nicht prüfenden Blickes auf sein Gerät schauen konnte, tut es trotzdem noch eben, bevor er es wieder wegsteckt, während die Welt sich an anderer Stelle schon wieder weiterdreht. Man könnte ja doch etwas Wichtiges verpassen.
Solche Momente währen nur kurz, aber sie offenbaren unsere Abhängigkeit, als wären die Telefone eine Erweiterung unserer selbst geworden. Wir suchen Wege mit ihnen und füllen unsere Wissenslücken. Wie heißt der Schauspieler noch mal? Was ergibt „21+12“? Wie hoch ist der Mount Everest? Wir wissen nichts mehr selbst – außer, wo wir suchen müssen.
Bei allem Katzenjammer: Es gibt auch zivilisatorische Leistungen, die ohne Internet und Mobiltelefon nie möglich gewesen wären. All die Tiervideos hätten niemals diese breite Öffentlichkeit erfahren. Es gibt das Video einer Katze im Haikostüm auf einem Staubsaugerroboter, die von einem watschelnden Entenküken verfolgt wird. Wer hätte diesen Beitrag je gesehen?
Insofern, trotz allem: Ein Hoch auf die Mobiltelefonie.