Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Mord und Totschlag in der Region nehmen zu
Strafverfahren am Landgericht weiterhin auf hohem Niveau – Mehr Richter eingestellt
RAVENSBURG - Im vergangenen Jahr hat das Landgericht Ravensburg 14 Fälle von Mord- und Totschlag verhandelt. Das sind mehr als in den Jahren zuvor. Auffällig ist die Zunahme an Familien- und Beziehungstaten – wie der Berger Mordfall, der Mengener Babymord oder die Hoßkircher Autoleiche. Ebenso hat es mehr Taten von Menschen mit Migrationshintergrund gegeben – wie der geplante Biberacher IS-Anschlagsversuch oder diverse Messerstechereien. Insgesamt bewegt sich die Zahl aller Strafverfahren auf konstant hohem Niveau. Dadurch kommt das Gericht an seine Grenzen. Eine Entlastung war 2017 die zusätzliche Einstellung von zwei Richtern.
82 erstinstanzliche Strafverfahren sind am Landgericht Ravensburg im vergangenen Jahr eingegangen. Das hat das Landgericht am Mittwoch bei einer Pressekonferenz bekannt gegeben. Die Schwurgerichtskammer befasste sich mit 14 Verfahren, bei denen es um Mord und Totschlag ging. 2016 gab es elf solcher Fälle, 2015 sechs. „Durch die hohe Anzahl der Fälle sind die Strafkammern einer massiven Belastung ausgesetzt“, sagt Thomas Dörr, der Präsident des Landgerichts. Nach Angaben des Gerichts ist daher eine weitere Große Strafkammer für Verfahren in der ersten Instanz eingerichtet worden.
Mehr Verhandlungstage
Hinzu kommt, dass die Zahl der Verhandlungstage steigt. Zum Vergleich: Bei allen Strafkammern wurde 2017 an 206 Tagen verhandelt, 2016 waren es 177 Tage und 2015 noch 164 Tage. Allein der Berger Mordprozess hat wegen der zahlreichen Beweisanträge 29 Tage gedauert, ein Prozess dauert im Durchschnitt zwischen vier und fünf Tage. Der Vorsitzende Richter Franz Bernhard sieht einen Grund für die langen Verfahren darin, dass es für die Angeklagten bei Strafprozessen einiges zu verlieren gebe. „Es wird aufseiten des Angeklagten viel gekämpft, um vom absoluten Strafmaß wegzukommen“, erklärt Bernhard. Dafür sei oft jedes Mittel recht, um die Verfahren zu verlängern und zu „torpedieren“. Für das Gericht bedeutet dies eine weitere Belastung. „Das kostet natürlich Manpower“, konstatiert Gerichtspräsident Thomas Dörr.
Um die Arbeit bewältigen zu können, sind jetzt – im Zuge der Neueinstellungen in der Justiz – zwei zusätzliche Richterstellen geschaffen worden. Diese wurden den Großen Strafkammern zugeteilt. Eine weitere Stelle soll im Haushaltsjahr 2018/ 19 folgen. Doch trotz des Personalzuwachses fehlen dem Gericht, das derzeit 29 Richter beschäftigt, mehr als drei Richterstellen. „Diese brauchen wir, um die Verfahrenslaufzeiten – sowohl im Straf- als auch im Zivilbereich – kurzzuhalten“, sagt Gerichtspräsident Dörr.
Sicherheit erhöht
Was die Eingänge bei den Zivilverfahren anbelangt, gibt es laut Dörr kaum Auffälligkeiten. Die Zahl der erstinstanzlichen Verfahren geht in diesem Bereich leicht zurück. Sie belaufen sich auf 1816 Stück. Der Großteil davon wurde durch einen gerichtlichen Vergleich abgeschlossen. Allerdings würden auch die zivilen Verfahren ähnlich der Strafverfahren komplexer und langwieriger werden, so Dörr. Er berichtet, dass sich manche Fälle über Jahre ziehen. Ein Grund liege darin, dass bei der Beweisaufnahme immer häufiger Sachverständige hinzugezogen und Gutachten in Auftrag gegeben werden.
Eine zunehmende Rolle spielt am Landgericht das Thema Sicherheit. Der Vorfall am Amtsgericht Dachau vor sechs Jahren, als ein Angeklagter im Gerichtssaal um sich schoss und einen Staatsanwalt tötete, habe in Ravensburg den Anlass gegeben, „die Sicherheit im Gericht zu überprüfen“, sagt Gerichtspräsident Dörr. So seien Sichtkontrollen, stichprobenartige Kontrollen und abhängig vom Anlass auch umfangreiche Personenkontrollen eingeführt worden. Die Verhandlung des Biberacher ISFalls beispielsweise fand unter enormen Sicherheitsvorkehrungen statt. Laut Thomas Dörr wird das jedoch nicht zum Standard. Eine Kontrolle wie am Flughafen werde es nicht geben. „Dafür fehlt das Personal“, so der Gerichtspräsident. Fünf Wachtmeister sind am Landgericht derzeit im Einsatz, drei davon befinden sich noch in der Ausbildung.