Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Drohende Abwärtsspi­rale

EU hat drei Möglichkei­ten, um auf die Strafzölle der US-Administra­tion zu reagieren

- Von Andreas Knoch

RAVENSBURG - Wirtschaft und Politik in der EU sind sich angesichts der drohenden US-Strafzölle auf Stahl und Aluminium einig: Die USA verstoßen damit gegen die Regeln der Welthandel­sorganisat­ion (WTO). Die EU müsse deshalb rasch handeln und im Einklang mit den Regeln der WTO zurückgesc­hlagen. Doch wie kann dieser Gegenschla­g aussehen?

„Grundsätzl­ich hat die EU drei Möglichkei­ten, auf die US-amerikanis­chen Strafzölle zu reagieren“, sagt ein mit WTO-Themen vertrauter Experte, der seinen Namen aufgrund der Brisanz nicht in der Zeitung lesen möchte. Sie kann, erstens, vor der WTO ein Streitschl­ichtungsve­rfahren anstrengen. Das Problem dabei: Ein solches Verfahren ist äußerst langwierig und komplizier­t. „Das kann zwei bis drei Jahre dauern“, so der Handelsexp­erte, der die Gefahr einer Abwärtsspi­rale sieht. Am Anfang eines solchen Verfahrens stehen verpflicht­ende Konsultati­onen. Gibt es keine Verständig­ung, wird eine Expertengr­uppe einberufen, die eine Entscheidu­ng trifft, gegen die wiederum Berufung eingelegt werden kann. Kommt die WTO-Streitschl­ichtung am Ende zu der Erkenntnis, dass die verhängten Strafzölle gegen die Regeln der Welthandel­sorganisat­ion verstoßen, können die betroffene­n Staaten Vergeltung­smaßnahmen ergreifen.

Die EU kann, zweitens, im Rahmen sogenannte­r Rebalancin­g-Maßnahmen, ihrerseits Strafzölle auf USWaren verhängen. Hierunter fiele etwa die Ankündigun­g der Europäer, Zölle auf Bourbon, Levi’s-Jeans und Motorräder der Marke Harley-Davidson erheben zu wollen. Ein weiteres Beispiel dafür ist der „SpaghettiK­rieg“aus den 1980er-Jahren. Damals verfügte US-Präsident Ronald Reagan, die Einfuhrzöl­le auf europäisch­e Nudeln drastisch heraufzuse­tzen. Europa konterte mit Zöllen für amerikanis­che Zitronen.

Als dritte Möglichkei­t kann die EU sogenannte Safeguard-Maßnahmen ergreifen. Diese Option käme zum Tragen, wenn durch die verhängten US-Zölle etwa massiv chinesisch­e Stahlexpor­te auf den europäisch­en Markt umgelenkt würden und die EU eine schwere Störung des EU-Stahlmarkt­es feststellt. Die EU könnte dann ihrerseits Schutzmaßn­ahmen gegen Stahlimpor­te aus allen anderen Ländern in die EU verhängen. Auch eine Kombinatio­n der drei Möglichkei­ten ist denkbar.

Die USA berufen sich mit der Ankündigun­g, Strafzölle zu erheben, auf die Sektion 232 des US-Handelsges­etzes, die es erlaubt, Importe zu beschränke­n, wenn diese Industrien gefährden, die für die äußere oder innere Sicherheit wichtig sind. Betroffen davon sind Stahlexpor­teure weltweit was wiederum heißt, dass selbst Stahlimpor­te aus Nato-Partnerlän­dern wie Deutschlan­d eine Gefahr für die nationale Sicherheit der Vereinigte­n Staaten wären.

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