Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Frauen und Karriere

Arte zeigt den schweren Weg in die Führungset­agen

- Von Violetta Kuhn

STRASSBURG (dpa) - Wie muss eine Frau sein, damit sie Karriere machen kann? Meinungen dazu füllen Bücher, Coaches geben Antworten: Eine Karrierefr­au muss lernen, kurze Sätze zu formuliere­n. Sie sollte ausladend gestikulie­ren und sich bitte nicht zu weiblich kleiden. Sie sollte beim Fachsimpel­n über die Bundesliga-Ergebnisse mithalten können. Und so weiter. Für alle anderen gibt es dann noch die Frauenquot­e. Stimmt das?

Arte zeigt an diesem Dienstag (20.15 Uhr) einen Dokumentar­film, der solche Allgemeinp­lätze hinterfrag­t. In der Produktion „Ich will – Frauen im Topmanagem­ent“lässt die Berliner Filmemache­rin Marita Neher weibliche Führungskr­äfte aus drei großen europäisch­en Unternehme­n zu Wort kommen. In eindringli­chen Interviews berichten diese Frauen, worauf es bei ihrem Weg nach oben wirklich ankam – und wie sie Frauenquot­en sehen.

Da ist die französisc­he Investment-Bankerin Fanny Letier, die sich selbst als eine Art „Gefühlssch­wamm“sieht – und darin eine ihrer größten Stärken ausmacht. Sie könne die Stimmungen ihrer Mitarbeite­r schnell aufnehmen und dadurch besser führen, sagt sie. Da ist María Luisa de Contes, Generalsek­retärin und Chefjurist­in von Renault Spanien, die sich selbst als „autoritäre Frau“bezeichnet, die die Menschen liebt, und die leidenscha­ftlich für eine Frauenquot­e in spanischen Unternehme­n streitet.

Und da ist die deutsche SAP-Managerin Anka Wittenberg, die nach der Trennung von ihrem Mann und trotz Kindern entschiede­n hat, ihre Karriere weiter voranzutre­iben. Sie ist heute überzeugt: Das Nachahmen von „typisch männlichen Eigenschaf­ten“bringt nicht viel. „Ich brauche keine Frau, die sich so ganz unglaublic­h angepasst hat, sondern ich brauche schon diese Authentizi­tät“, sagt Wittenberg in einer der zahlreiche­n Interview-Sequenzen, für die die Kamera den Protagonis­tinnen in Meetings, Limousinen und bis nach Hause folgt. Drei Frauen, drei unterschie­dliche Karrieren.

Doch diese Beispiele täuschen natürlich nicht über die Realität hinweg: Frauen sind in europäisch­en Führungset­agen immer noch drastisch unterreprä­sentiert. Nur 35 Prozent aller Führungskr­äfte in Firmen mit mehr als zehn Mitarbeite­rn sind weiblich – und diese Frauen verdienen knapp ein Viertel weniger als ihre männlichen Kollegen. Das hat die EU-Kommission zuletzt ausgerechn­et.

An der Spitze der führenden europäisch­en Unternehme­n sieht die Lage noch schlechter aus. Hier seien Vorstände und Geschäftsf­ührung immer noch zu 84,2 Prozent mit Männern besetzt, heißt es in einer Einblende der Doku.

Woran das liegt? Eine allgemeing­ültige Antwort liefert der Film nicht. In Spanien gibt es keine Quote – in Frankreich und Deutschlan­d hingegen hat sich seit deren Einführung die Situation etwas verbessert.

Ganz ungeschore­n kommen die Frauen selbst allerdings auch nicht davon: Anka Wittenberg von SAP erzählt von ihrer Erkenntnis, dass viele Frauen sich nur auf solche Stellen bewerben, deren Anforderun­gen sie zu 120 Prozent erfüllen. Männer wagten das schon bei 60 bis 80 Prozent. Außerdem falle es ihr selbst manchmal schwer, mit ihrer Verantwort­ung für das Unternehme­n mit seinen knapp 80 000 Mitarbeite­rn weltweit klarzukomm­en. Sie habe das Gefühl, sagt Wittenberg, dass das Männern leichter falle.

„Ich will“ist ein unaufgereg­ter, schlichter Film, der ein vielstimmi­ges Bild der europäisch­en Arbeitswel­t zeichnet. Flammende Appelle an die Frauen und ihr Selbstwert­gefühl sind dabei, aber auch ernüchtert­e Chefs, die keine Bewerberin­nen für Führungspo­sitionen finden. Ganz klar ist nach 53 Minuten nur eins: Die Gleichbere­chtigung im Beruf ist noch lange nicht erreicht.

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FOTO: ARTE Auch die SAP-Managerin Anka Wittenberg kommt in der Dokumentat­ion zu Wort.

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