Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Bund fördert Demokratieprojekte im Kreis
230 000 Euro: 15 Projekt-Bewerbungen sind beim AMI eingegangen
FRIEDRICHSHAFEN - Mit rund 230 000 Euro unterstützt der Bund im Bodenseekreis Initiativen im Rahmen des Projekts „Demokratie leben!“. Derzeit werden die Anträge für 2018 im Amt für Migration und Integration (AMI) gesichtet, über die Vergabe wird demnächst entschieden. Vor allem im Bereich der Extremismusprävention sei das Geld gut angelegt, sagt Yalcin Bayraktar, der Leiter des Amts, der künftig die Leitung des neu gebildeten Amts für Soziales, Familie und Jugend bei der Stadt Friedrichshafen übernimmt (siehe nebenstehender Artikel).
Mit dem Programm „Demokratie leben! Aktiv gegen Rechtsextremismus, Gewalt und Menschenfeindlichkeit“fördert das Bundesamt für Familie, Senioren, Frauen und Jugend „das Entgegensteuern bei allen Erscheinungsformen von Extremismus und die Stärkung des Demokratieverständnisses.“Im Bodenseekreis hat das Landratsamt über das AMI für den Zeitraum von Mai 2017 bis Dezember 2019 den Zuschlag für die Förderung bekommen. „Es ist kein Integrationsprojekt, sondern ein Projekt, das sich an die gesamte Bevölkerung wendet“, sagt Miriam Macak, die im AMI für das Bundesprogramm zuständig ist.
Der Bodenseekreis wurde für die Kategorie „Partnerschaften für Demokratie“aufgenommen und erhält insgesamt rund 230 000 Euro vom Bund. Das AMI ist federführend, braucht aber „eine externe Koordinierungsund Fachstelle“, wie Macak weiter sagt. Dafür wurde der alevitische Bildungsverein vom AMI vorgeschlagen und vom Ausschuss für Soziales und Gesundheit des Kreistags beauftragt. 2018 wird von dem Bundesprogramm die Koordinierungsstelle für rund 45 000 Euro finanziert, außerdem stehen für dieses Jahr rund 30 000 Euro für Projekte zur Verfügung, 6000 Euro davon sind für Jugendarbeit.
Ausschuss entscheidet
Das AMI hat die Projekte ausgeschrieben, bis zum 31. Januar lief die Frist, 15 Bewerbungen sind eingegangen. Ein Begleitausschuss entscheidet jetzt über die Vergabe der konkreten Maßnahmen und Projekte. Es soll ein flächendeckendes Programm entstehen, auch kleinere Ortschaften sollen profitieren. Im Jahr 2017 gab es eine Auftaktveranstaltung, eine Demokratiekonferenz sowie die zwei Abendveranstaltungen „Frauen im Islam“und „West-Östlicher Diwan“als literarisch-musikalischen Brückenschlag zwischen den Kulturen. Auch 2018 wird es wieder eine Demokratiekonferenz geben.
Für neue Projekte sei vieles denkbar, von weiterführenden Integrationskursen bis zu einem Workshop für Jugendtreffs, sagt Macak. Das Projekt „Demokratie leben!“soll mit Buswerbung im Landkreis bekannt gemacht werden, beim Fischbacher Halbmarathon soll es in diesem Jahr den „Demokratie leben“Lauf über 3,7 Kilometer geben, der sich vor allem an Jugendliche wendet, „einen Jugendlauf für Demokratie“also.
Seit Sommer 2016 gibt es das Amt für Migration und Integration im Bodenseekreises, schon zum Start seien zwei Schwerpunkte festgelegt worden, sagt Yalcin Bayraktar, der Leiter des AMI: die Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten und die Extremismusprävention. Beim ersten Punkt komme man gut voran, rund 35 Prozent der Asylbewerber seien im Bodenseekreis mittlerweile in Arbeit. Beim Projekt „Demokratie leben“geht es jetzt um die Extremismusprävention, auch hier sei seit 2015 viel passiert, sagt Bayraktar. So hat der Bodenseekreis etwa integrationspolititische Grundsätze formuliert. Im Bodenseekreis werde eine erfolgreiche Integrationspolitik gemacht. So gebe es keinen anderen Landkreis, der 95 Prozent der Gemeinden mit Flüchtlingsbeauftragten abdeckt. Im Bodenseekreis werden zum Beispiel 23 Stellen der neuen Integrationsmanager gefördert.
Netzattacken, Brandanschläge
„Auf der anderen Seite hatten wir aber die Brandanschläge“, sagt Bayraktar, im Herbst 2015 in der Gemeinschaftsunterkunft (GU) in Oberteuringen-Neuhaus und 2017 in der GU in Tettnang, jeweils vor dem Bezug der Unterkünfte. „Und wir haben Angriffe im Netz auf Helfer und Helferkreise.“Das sei leider ein bundesweiter Trend. Auch beim AMI gebe es immer mal wieder unfreundliche Anrufe, auch in Bezug auf das Bundesprogramm „Demokratie leben!“, das sich ausdrücklich auch gegen Rechtsextremismus wendet. „Der Druck ist da, jede Aktion für Migranten oder gegen Rassismus löst bei einer Gruppe irgendetwas aus“, sagt Bayraktar.
Auf der anderen Seite sehe man auch eine Radikalisierung bei Migrantengruppen, „das ist ein wichtiger Punkt, den wir im Fokus haben.“Nationalismus sei nicht nur ein Thema für Einheimische. Auch bei den Kulturvereinen habe man einen latenten Nationalismus und müsse da genauer hinschauen, egal ob es sich um türkische, kurdische, serbische Vereine oder die der Spätaussiedler aus Russland handle. Auch der religiöse Fundamentalismus sei ein wichtiges Thema. Integrationsarbeit und Prävention sei deshalb unverzichtbar. Im Bodenseekreis gebe es durch die Asylkonferenz und die Ausarbeitung der Integrationspolitischen Grundsätze schon ein Netzwerk dafür. Klare Ziele seien formuliert worden, was im Landkreis erreicht werden solle. Das Programm „Demokratie leben!“sei ein Instrument dafür.