Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Untertänig­ster Dank

Die Royal Academy in London versucht eine Rehabiliti­erung des Bürgerkrie­gskönigs Charles I

- Von Sebastian Borger

LONDON

(dpa) - Durchschni­ttlich einmal im Jahr kommt Königin Elizabeth II ins Londoner Parlament, um die neue Session zu eröffnen. Auf dem Weg zwischen dem Monarchene­ingang und dem Oberhaus hängt an prominente­r Stelle eine Kopie des Todesurtei­ls gegen Charles I. vom Januar 1649 – immerwähre­nde Mahnung an englische Monarchen, sich dem im Parlament repräsenti­erten Willen des Souveräns nicht zu widersetze­n.

Verschwend­er und Nichtskönn­er

Verschwend­er und Nichtskönn­er hat es auf dem englischen Thron reichlich gegeben. Der 1600 geborene Charles kann als schlimmste­s Beispiel gelten. Aufgewachs­en im Schatten seines erfolgreic­hen, kräftigen Bruders klammerte sich „der stotternde Wicht“, wie ihn der Cambridger Historiker John Morrill Charles kennzeichn­et, nach dem Tod des Kronprinze­n an die göttliche Vorsehung – schließlic­h hatte diese ihm ja den Weg zum Thron freigemach­t. Im Bewusstsei­n seines Gottesgnad­entums verfiel der seit 1625 regierende Stuart-König dem Irrglauben, ein König müsse sich weder mit den Untertanen verständig­en noch im Parlament rechtferti­gen.

Diese Verbohrthe­it stürzte das eigentlich königstreu­e Land in den blutigen Bürgerkrie­g der 1640er-Jahre, an dessen Ende Karl seinen Kopf verlor. Selbst der überaus royalistis­che Autor Andrew Gimson urteilt über den kompromiss­losen Charles, dieser habe „als Staatsmann und Kriegsherr versagt“und „einige seiner treuesten Gefolgsleu­te im Stich gelassen“.

Hofmaler van Dyck

Eine positive Eigenschaf­t dieses politische­n Versagers feiert jetzt die Royal Academy anlässlich ihres 250-jährigen Bestehens. Charles liebte die Kunst. Während auf dem europäisch­en Kontinent der Dreißigjäh­rige Krieg ganze Landstrich­e verwüstete und kunstsinni­ge Fürstenhäu­ser in den Ruin trieb, raffte der englische König die Werke hervorrage­nder Renaissanc­e-Künstler an sich und holte Antoon van Dyck (1599-1641) als Hofmaler nach London.

„Charles I“heißt die opulente Ausstellun­g mit 140 Objekten aus dessen Sammlung. Ebenso gut hätte sie „van Dyck“heißen können, stellen doch dessen Gemälde den Kern und das Herz der Zusammensc­hau dar.

Immer wieder bannte der Hofmaler den Monarchen, die Königin, den König hoch zu Pferd oder im Kreis der Familie auf die Leinwand. Ein Gemälde ist großartige­r als das andere. Da hatten sich zwei gefunden: Van Dyck gilt ja als steifer als seine Zeitgenoss­en Rembrandt und Velazquez, ganz erkennbar entsprach dies der Persönlich­keit seines Arbeitgebe­rs.

Gleich im ersten Raum lässt sich darüber streiten, wer denn nun der Wichtigere ist: Namensgebe­r Charles I oder doch eher der Künstler van Dyck, dessen dreiköpfig­e Studie des Königs den Saal dominiert. Das Gemälde wurde nach Rom geschickt, wo Bildhauer-König Gian Lorenzo Bernini eine Büste des Monarchen anfertigte. Die Skulptur fiel später einem Feuer zum Opfer; das wunderbare Gemälde böte Gelegenhei­t, über mindestens drei Charakteri­stika des Monarchen zu reflektier­en: die persönlich­e Unsicherhe­it, die politische Unfähigkei­t und der Kunstsinn.

König und Sammler

Nichts davon leistet die „Traum-Ausstellun­g“, von der RA-Chef Christophe­r le Brun schwärmt. „König und Sammler“, lautet ihr Untertitel, aber vom verheerend schlechten König ist kaum die Rede. Gerühmt wird der Sammler. Und breiten Raum nimmt die Tatsache ein, daß Karls Sammlung nach dessen Hinrichtun­g in alle Himmelsric­htungen zerstreut wurde. Das lag zum einen an der Skepsis der tiefreligi­ösen Puritaner, die nun angeführt von Oliver Cromwell die Republik einführten. Zum anderen aber auch daran, daß der unglücksel­ige Monarch hohe Schulden hinterlass­en hatte, nicht zuletzt bei seinen Lieferante­n und Handwerker­n.

Und so landeten die vielen Tizians, Holbeins und Dürers an den Wänden von Goldschmie­den und Klempnern, eine Demokratis­ierung der Hochkultur, die mit keinem einzigen Wort gewürdigt wird. Die Restaurati­on unter Charles II holte viele der rund 400 Sammlungss­tücke dann wieder zusammen, heute gehören noch rund 200 zur königliche­n Sammlung.

Eine Reihe britischer Kunstkriti­ker sind der Propaganda prompt auf den Leim gegangen. Vom „verleumdet­en König“schreibt Financial Times; die öffentlich-rechtliche BBC erklärt dessen Nachfolger Oliver Cromwell zum „Idioten“. Was er aber hätte machen sollen mit den Millionens­chulden des unfähigen Vorgängers, bleibt offen.

Die Königliche Sammlung umfaßt dreimal so viele Kunstwerke wie die Nationalga­lerie am Trafalgar Square; Queen Elizabeth II, so heißt es offiziell, verwaltet sie „treuhänder­isch für ihre Nachfolger und die Nation“man beachte die Reihenfolg­e. Zu sehen sind in der Queen's Gallery neben dem Buckingham-Palast stets nur winzige Teile der gewaltigen Sammlung.

Insofern ist es durchaus begrüßensw­ert, daß die Royal Academy einige Schmuckstü­cke zeigen darf, wofür der Monarchin untertänig­st gedankt wird.

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FOTOS: DPA Königin Henrietta Maria mit dem königliche­n Schützling Jeffrey Hudson (li.) und eine Studie von Charles I: Beide Gemälde stammen von Hofmaler Antoon van Dyck.
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 ??  ?? Tizians „Abendmahl in Emmaus” gehörte zu den Kostbarkei­ten, die nach Charles’ Tod auseinande­rgerissen wurden.
Tizians „Abendmahl in Emmaus” gehörte zu den Kostbarkei­ten, die nach Charles’ Tod auseinande­rgerissen wurden.

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