Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Teststreck­e mitten in der Stadt

In Friedrichs­hafen sollen von Herbst an automatisi­ert fahrende Autos unterwegs sein

- Von Martin Hennings und Benjamin Wagener

FRIEDRICHS­HAFEN - Die Zukunft der Automobili­tät beginnt in Friedrichs­hafen mit dem Umbau von Ampelanlag­en. Der ist nötig, um mitten in der Stadt am Bodensee eine Teststreck­e für automatisi­ertes Fahren einzuricht­en. Der Gemeindera­t der Stadt will am nächsten Montag entscheide­n, ob das Projekt umgesetzt wird. „Wir sind sehr zuversicht­lich, dass eine große Mehrheit den Weg mit uns gehen wird“, sagte der Erste Bürgermeis­ter Stefan Köhler am Dienstag. Die Stadt will dafür nach eigenen Angaben rund 250 000 Euro investiere­n.

Die Route, auf der der Friedrichs­hafener Automobilz­ulieferer ZF und später auch andere Unternehme­n automatisi­erte Funktionen von Autos ausprobier­en wollen, führt mitten durch die Stadt und wird zunächst genauso aussehen wie bisher. Mit einer Ausnahme: An allen neun Ampelanlag­en, die die Wagen mit ihren Testfahrer­n passieren, werden sogenannte Road-Side-Units angebracht, kleine, graue Kästen, die den Autos der Zukunft nicht nur verraten können, ob das Licht gerade rot oder grün ist, sondern auch wann die Ampel umspringt und wie viel Verkehr sich gerade auf der fraglichen Kreuzung tummelt. Später soll möglicherw­eise eine Strecke in der Altstadt, die an die Fußgängerz­one grenzt, und Parkhäuser dazukommen.

Das Wirtschaft­sministeri­um von Baden-Württember­g begrüßt die Initiave, die das Institut für Weiterbild­ung, Wissens- und Technologi­etransfer (IWT) mit Sitz in Friedrichs­hafen mit ZF initiiert hat, ausdrückli­ch. „Zulieferer aus der Region Bodensee-Oberschwab­en haben auf diese Weise die Chance, ihre Produkte im Realbetrie­b auf öffentlich­en Straßen und vor allem im herausford­ernden Stadtverke­hr zu testen, ohne weite Strecken zu anderen Testfelder­n zurücklege­n zu müssen“, sagte Ministeriu­mssprecher­in Silke Walter auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“. Im Rahmen der Entwicklun­g von Fahrzeugen mit automatisi­erten Fahrfunkti­onen sei „die Durchführu­ng von Tests in speziellen Testgebiet­en, aber auch im realen Verkehrsum­feld unabdingba­r“.

In Deutschlan­d gibt es bereits in Bremen, Braunschwe­ig und Wuppertal sowie in Bayern und im Saarland Teststreck­en. Baden-Württember­g plant zudem auf Strecken zwischen Karlsruhe und Heilbronn ein Testfeld Autonomes Fahren, das alle Arten von öffentlich­en Straßen – von der Autobahn über Landstraße­n bis hin zu städtische­n Hauptstraß­en und Wegen in Wohngebiet­en – umfasst.

Falls der Gemeindera­t in Friedrichs­hafen nächste Woche zustimmt, könnte die Teststreck­e nach Angaben von Bürgermeis­ter Köhler noch in diesem Jahr – wohl im September oder Oktober – in Betrieb gehen. Die Teststreck­e am Bodensee umfasst neben einer Bundesstra­ße auch Tempo-50- und Tempo-30-Zonen. In den Testwagen werden aber vorerst immer auch Fahrer mitfahren, die den Betrieb überwachen und jederzeit eingreifen können.

Test unter Realbeding­ungen

Das IWT will die Teststreck­e in den kommenden Jahren weiterentw­ickeln. Ziel ist nach Angaben des Instituts die Bildung eines Konsortium­s mit mehreren Firmen und anderen Partnern. Zunächst aber werden vor allem ZF-Ingenieure in Autos und Lastwagen unterwegs sein. Es sei wichtig, direkt am Konzernsit­z Erprobungs­möglichkei­ten für das automatisi­erte Fahren zu haben, sagte Torsten Gollewski, Leiter der ZF-Vorentwick­lung und Geschäftsf­ührer der ZF-Tochterfir­ma „Zukunft Ventures“, in der der Konzern unter anderem seine Start-up-Beteiligun­gen im Segment des autonomen Fahrens bündelt. „Wir bauen hier in Friedrichs­hafen mit Hochdruck Entwickler­teams auf.“Die bräuchten die Möglichkei­t, ihre Arbeit unter realen Bedingunge­n zu testen und Daten zu sammeln.

Die Route durch Friedrichs­hafen bietet im Vergleich zu anderen Strecken einige Besonderhe­iten, etwa einen Tunnel, Kreisverke­hre, mehrspurig­es Abbiegen und auch unmarkiert­e Straßenabs­chnitte. Denn auch die wird es in der Zukunft geben.

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FOTO: DPA Ein Auto auf der geplanten Friedrichs­hafener Teststreck­e für automatisi­ertes Fahren: Tests im realen Verkehrsum­feld sind nach Auffassung des badenwürtt­embergisch­en Wirtschaft­sministeri­ums unabdingba­r.

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