Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Auch Unternehmer wünschen sich mehr Wohnungen
IHK stellt Umfrage zur Standortzufriedenheit vor – Häfler OB ruft beim Straßenbau zur Geschlossenheit auf
FRIEDRICHSHAFEN - Stromversorgung und Image hui, Wohnbau und Verkehr pfui: So lässt sich – etwas flapsig – das Ergebnis einer Umfrage der IHK zum Wirtschaftsstandort Friedrichshafen zusammenfassen. Oberbürgermeister Andreas Brand nutzte deren Vorstellung am Montagabend, um für regionale Einigkeit beim Straßenbau zu werben.
Alle fünf Jahre befragt die Industrieund Handelskammer BodenseeOberschwaben ihre 10 153 Mitgliedsunternehmen nach ihrer Standortzufriedenheit. Rund 20 Prozent antworten. Weil die IHK Ulm und die Kollegen in Reutlingen das gleiche tun, entsteht ein interessantes Bild der Stimmungslage in der Wirtschaft des Regierungsbezirks Tübingen. Am Montagabend hat IHK-Hauptgeschäftsführer Peter Jany im Competence Park am Flughafen vor rund 70 Wirtschaftsvertretern und einigen wenigen Gemeinderäten über die Ergebnisse der Befragung insgesamt, vor allem aber mit Blick auf Friedrichshafen berichtet.
Zunächst verwies Jany auf das enorme wirtschaftliche Wachstum der Stadt. So stieg zwischen 2000 und 2016 die Zahl der Erwerbstätigen um fast 9100 oder 34,6 Prozent an. Dass die Zahl der Auspendler mit 10 000 deutlich niedriger liegt als die Zahl derer, die täglich nach Friedrichshafen zum Arbeiten fahren (21 550 nämlich), ist keine Überraschung. Spannend: 23 Prozent der Häfler Unternehmen (besser gesagt: der Firmen, die an der Befragung teilgenommen haben) geben an, in den kommenden drei Jahren ihren Betrieb vor Ort erweitern zu wollen. Neun Prozent wollen das an anderen deutschen Standorten tun, vier Prozent im Ausland. 77 Prozent der Manager würden Friedrichshafen weiterempfehlen. Damit liegt die Stadt im Vergleich zu anderen oberschwäbischen Kommunen im oberen Drittel. Hier an der Spitze: Ravensburg.
Am zufriedensten ist die Häfler Wirtschaft der Befragung zufolge mit der Versorgungssicherheit beim Strom (für moderne Produktion überlebenswichtig), dem Image der Region, Sport- und Freizeitmöglichkeiten, Sicherheitslage und medizinischer Versorgung. Jany riet, die vermeintlich weichen Faktoren Image und Freizeit nicht zu gering zu werten. „Spätestens wenn es darum geht, gute Mitarbeiter zu suchen oder zu halten, erkennt man den Wert“, sagte er.
Am allerwichtigsten ist den Führungsetagen in der Stadt eine gute Breitbandversorgung, also der Anschluss an schnelles Internet. Hier ist die Zufriedenheit auch am höchsten von allen befragten Kommunen, sicher eine Folge des T-City-Projektes, währenddessen viel in digitale Infrastruktur investiert worden ist.
„Das hat nicht gereicht“
Handlungsbedarf sehen die Unternehmer vor allem hier: Wohnraum, Straßenanbindung, Kosten für Gewerbeimmobilien, Fachkräftemangel und Parken. OB Brand verwies darauf, dass in den letzten Jahren jährlich rund 400 Wohneinheiten entstanden seien. „Das hat aber nicht gereicht.“Es fehlten Flächen, hinzu komme, dass man nirgendwo mehr über ein neues Baugebiet diskutieren könne, ohne dass sich vor Ort Widerstand gegen die Pläne regt.
Der Fachkräftemangel sei voll in der Region angekommen, sagt Peter Jany. Er sehe die Gefahr, dass das Schul- und Hochschulsystem am Arbeitsmarkt vorbei ausbilde. Weit über die Hälfte eines Jahrgangs studiere. Die Akademikerquote in den Betrieben der IHK Bodensee-Oberschwaben liege aber nur bei etwa 15 Prozent.
Besser als noch vor fünf Jahren beurteilt die Häfler Wirtschaft die Anbindung an den Straßenverkehr. Hier tut offenbar die B 31-Großbaustelle im Westen der Stadt schon ihre Wirkung. Trotzdem liegt Friedrichshafen hier im kommunalen Vergleich im unteren Viertel. Bei allgemein geringer Zufriedenheit. Kein Wunder, liegt der IHK-Bezirk doch laut Jany „weitgehend in einer autobahnfreien Zone“. Die Kammer werde trotzdem nicht mehr dafür kämpfen, eine Bodenseeautobahn zu bauen. Ziel sei es jetzt, die Bundesstraßen so auszubauen, dass sie vor Ort die Funktion erfüllen, die anderswo Autobahnen haben.
OB Brand nahm den Ball gern auf. Die Stadt Friedrichshafen habe beim Thema B 31 „ihre Hausaufgaben gemacht“, Überlingen ebenso. In Meersburg, Hagnau, Immenstaad und Meckenbeuren aber könne er keine Geschlossenheit bei dem Thema erkennen, im Gegenteil. „Einen größeren Gefallen können wir der Politik in Berlin und Stuttgart doch gar nicht tun“, schimpfte Brand. „Wenn wir hier uneinig sind, können die das Geld guten Gewissens anderswo ausgeben.“
OB sieht Mediationen kritisch
Mit Blick auf das Mediationsverfahren in Kluftern und die aktuelle Debatte rund um Hagnau stellte Brand die Frage in den Raum, ob man künftig alle Straßenbauverfahren komplett demokratisieren solle und wolle. Schließlich gebe es gewählte Abgeordnete, Gemeinderäte und Bürgermeister, deren Aufgabe es sei, Themen abzuwägen und dann aber auch zu entscheiden.