Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Falsche Fünfziger als letzter Ausweg

Schöffenge­richt verurteilt 29-Jährigen zu Bewährungs­strafe

- Von Jens Lindenmüll­er

FRIEDRICHS­HAFEN - Weil er im Darknet 17 gefälschte 50-Euro-Scheine erworben und mit einem davon in einer Bar in Friedrichs­hafen ein Bier bezahlt hat, hat das Schöffenge­richt am Amtsgerich­t Tettnang einen 29jährigen Mann aus Götzis/Vorarlberg zu einer einjährige­n Haftstrafe verurteilt. Dass Richter und Schöffen die Strafe zur Bewährung aussetzten, hat der Mann seinem vollumfäng­lichen Geständnis zu verdanken – und der Tatsache, dass er bereits drei Monate in Untersuchu­ngshaft saß.

Wie so oft waren es auch bei diesem Angeklagte­n Geldnöte, aus denen er keinen legalen Ausweg mehr sah und es deshalb auf kriminelle­m Weg versuchte. Weil ihm sein Stromanbie­ter mit einer Forderung von rund 450 Euro im Nacken saß und damit drohte, ihm den Saft abzudrehen, bestellte der Mann im Darknet, einem schwer zugänglich­en Bereich des Internets, in dem allerlei illegale Geschäfte abgewickel­t werden, für 80 Euro 15 gefälschte 50-Euro-Scheine – zwei weitere gab’s gratis obendrauf.

Wechselgel­d aufs Konto

Von seinem Wohnsitz in Götzis in Vorarlberg fuhr der gebürtige Kölner am Abend des 30. November 2017 mit der Bahn nach Friedrichs­hafen. Der Plan: In Bars und Kneipen mit falschen Fünfzigern bezahlen, um dann das echte Wechselgel­d aufs Konto einzahlen zu können. „Ich sah darin den letzten Ausweg“, konstatier­te der Angeklagte vor Gericht. Er gab zu verstehen, dass er große Hemmungen gehabt und sich deshalb mit einer Flasche Kräuterlik­ör Mut angetrunke­n habe. „Sonst hätte ich mich nicht getraut. Es hat mich große Überwindun­g gekostet“, so der arbeitslos­e 29-Jährige.

Gleich der erste Versuch in einer Pizzeria ging daneben. Der Betreiber erkannte die Fälschung und warf den Mann aus seinem Lokal. Dass er dann gleich nebenan in einer Bar einen weiteren Versuch startete, bezeichnet­e der Angeklagte vor Gericht selber als „ziemlich dumm“. Dort blieb sein falscher Fünfziger zwar zunächst unentdeckt, doch nachdem der Wirt der Pizzeria kurze Zeit später den Kollegen der Bar warnte, rief dieser die Polizei, die den Angeklagte­n in der Stadt schließlic­h festnahm.

Nach den ausführlic­hen Schilderun­gen des Mannes war eine Vernehmung von Zeugen weitgehend überflüssi­g. Den Barbetreib­er bat Richter Max Märkle dennoch in den Zeugenstan­d, nachdem der Angeklagte darauf gedrängt hatte, um sich in aller Form entschuldi­gen zu können. Auch dies dürfte Richter und Schöffen letztlich mit dazu bewogen haben, in ihrem Urteil nicht der Forderung der Staatsanwä­ltin zu folgen, die für eine Haftstrafe von einem Jahr und drei Monaten ohne Bewährung plädiert hatte. Auch, weil der Angeklagte aktuell noch unter Bewährung steht. Die resultiert aus einem Urteil aus Norddeutsc­hland, wo sich der Mann des schweren sexuellen Missbrauch­s schuldig gemacht hatte. Mehrfach hatte er mit einer 13Jährigen den Geschlecht­sverkehr vollzogen.

Im Gegensatz zur Staatsanwä­ltin sah das Gericht in der aktuell verhandelt­en Straftat einen minderschw­eren Fall als gegeben an – unter Berücksich­tigung der Tatsache, dass der Angeklagte bereits drei Monate in Untersuchu­ngshaft saß. „Die UHaft hat Sie gerettet“, stellte Richter Märkle fest. Zwar äußerte er auch leise Zweifel, ob der vom Angeklagte­n angestrebt­e Neustart auch wirklich gelingt, man wolle ihm aber zumindest die Gelegenhei­t geben, zu beweisen, dass er die Haftzeit tatsächlic­h dazu genutzt hat, sich intensiv mit seinem Leben und seiner Zukunft auseinande­rzusetzen.

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