Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Die Suche nach bezahlbarem Wohnraum
Podiumsdiskussion wirft Fragen auf, liefert Ideen, aber wenig konkrete Antworten.
TETTNANG - Recht schnell ist am Freitagabend bei der Podiumsdiskussion zum Thema „Bezahlbarer (Miet-)Wohnraum in Tettnang – gemeinsam Lösungen entwickeln“klar gewesen: Es geht um Menschen aus der Mitte der Gesellschaft, die von Wohnungslosigkeit bedroht ist. Die Aula des Montfort-Gymnasiums war gut gefüllt, die Beteiligung auch unter den Zuschauern rege.
Auf dem Podium saßen Vertreter aller Gemeinderatsfraktionen, Bürgermeister Bruno Walter sowie Vertreter der Diakonie und der Caritas. Im Publikum zahlreiche Interessierte, aber auch Vermieter, Investoren, Bauträger und ebenfalls Betroffene.
„Alleinerziehende, Menschen mit ehrbaren Berufen, Rentner“beschrieb Christian Mayer von der Caritas die betroffene (und große) Gruppe. Gerd Gunßer von der Diakonie sagte, es seien einfach „Menschen, die verzweifelt nach Wohnungen“suchten. „Die große Politik hat das Thema verschlafen“, sagte Gerhard Brugger (FDP) und forderte, Investoren und Bauträger zukünftig stärker in die Pflicht zu nehmen.
Hermann König (SPD) wünschte sich eine stärkere und aktivere Grundstückspolitik der Stadt. Susanne Lund (Grüne) verwies zum einen auf nicht vermietete Wohnungen in Tettnang, die nicht am Markt seien, und auf positive Beispiele aus anderen Kommunen, die für eine Durchmischung der Quartiere sorgten. Hansjörg Bär (Freie Wähler) sagte, er kämpfe schon so lange mit dem Thema wie er im Gemeinderat sei. Es sei schwierig, Investoren zu finden, die sozialen Wohnungsbau mittragen. Hier hob er das St. Anna-Quartier als beispielhaft hervor.
Sylvia Zwisler (CDU) verwies auf das Bündnis für bezahlbaren Wohnraum der Stadt Ravensburg („So etwas sollten wir auch beschließen“). Bürgermeister Bruno Walter sagte, der Bedarf sei heute schon da. Man müsse den Menschen, die Wohnraum hätten und diesen nicht vermieten wollten, die Scheu nehmen. Bei neuem Wohnraum müsse man schauen, wie man Bauträger verpflichten könne, wirklich einen bestimmten Prozentsatz günstiger zu bauen.
Vorhandenen Wohnraum nutzen, den Bau neuer Wohnungen anders steuern, leitete Moderator Günter Erdmann zusammenfassend in die Publikumsfragerunde über. Eben beschreibt Christian Mayer von der Caritas typische Wohnungssuchende.
hatte dort ein Wohnungsbesitzer gesagt: „Jedem, der sein Haus nicht vermietet, Hut ab, das verstehe ich.“Da trat eine Frau ans Mikrofon und sagte: „Ab Juli werden wir obdachlos sein.“Sie wisse, dass es in Tettnang freie Wohnungen gebe. Immer wieder stockend stellte sie die, von manchen sicher unerwartete, Frage: „Warum werden Vermieter hier nicht an die Hand genommen?“Sie verwies damit auf Vorbehalte von Wohnungsbesitzern, die befürchteten, dass Messies oder Mietnomaden einziehen könnten.
Immobilienhändler Willi Berner sagte in seiner Wortmeldung, Bestandswohnungen als Teillösung seien sicher richtig. Hier müssten alle Beteiligten zusammenarbeiten. Bürgermeister Walter verwies darauf, dass die Stadt bereit sei, Wohnungen anzumieten, dass sich aber selbst hier kein Vermieter melde. Dabei sei die Stadt als Mieter risikolos, weil sie selbst das Risiko übernehme.
Christian Mayer von der Caritas verwies in diesem Zusammenhang auf das Projekt „herein“. Hier übernimmt die Caritas die Auswahl potenzieller Mieter und berät sowohl die Wohnungssuchenden als auch die Vermieter. Auf die Frage von Moderator Erdmann, dass für viele Vermieter die Frage sei, wie man den Mieter im Fall der Fälle wieder loswerden könne, erwiderte Mayer, dass sie nur Zeitmietverträge vermittelten. Sie suchten aber gezielt nach „mietfähigen“Menschen.
Ein Vermieter mit mehreren Wohnungen in Tettnang sagte, Leerstand sei „zutiefst asozial“. Eigentum verpflichte eben auch. Er selbst nannte das Beispiel von Mietern, die ihm derzeit die Miete nicht zahlen könnten. Er nehme den Rückstand allerdings hin: „Es gibt auch sehr viele sozial eingestellte Vermieter.“Er forderte einen Umstieg von der Objektförderung hin zur Subjektförderung, bei der das Geld direkt über Wohngeld beim Mieter ankomme.
„Ich bin ein asozialer Vermieter“, spitzte ein anderer Besucher zu, und er habe „ein schlechtes Gewissen deswegen“. Er habe ein leerstehendes Haus im ländlichen Raum, verwies neben anderen Gründen auch auf den schlechten öffentlichen Personennahverkehr im Hinterland, der für manche potenzielle Mieter ein Ausschlusskriterium sei. Gerne würde er eine Familie unterbringen, aber er habe keine gefunden.
Andreas Schumacher von teba meldete sich ebenfalls zu Wort. Bezugnehmend auf das Bündnis für bezahlbaren Wohnraum in Ravensburg sagte er, dass es „ein sehr, sehr gutes Mittel für die soziale Durchmischung bei Bauprojekten“sei. Sein Unternehmen sei das erste gewesen, das in Ravensburg unter diesen Bedingungen gebaut habe. „Wir wären froh, wenn es solche Auflagen öfters gäbe.“Allerdings habe Ravensburg auch auf den Maximalpreis für das Grundstück verzichtet.
Hier sah Bürgermeister Walter das zentrale Problem: Es gehe um öffentliche Gelder und das Risko hoher Schulden. Grundstücksbesitzer hätten in der Regel das Ziel, aus ihrem Besitz das Maximum herauszuholen, weil sie eben nur ein Grundstück hätten. Das St. Anna-Projekt sei nur möglich gewesen, weil die Kirchengemeinden so entgegenkommend gewesen seien. Hier sei die Konstellation eine sehr günstige gewesen. Die Stadt könne das nicht leisten.
Eva-Maria Aicher warf am Publikumsmikro ein, dass Wohnungen vielleicht auch anders geplant werden und prinzipiell kleiner gestaltet werden müssten. Hier gebe es sicher Einsparpotenzial. Ebenfalls aus dem Publikum heraus sagte Diakon Michael Hagelstein: „Ich würde mir vom Gemeinderat mutige Entscheidung wünschen.“In anderen Städten funktionierten neue Wege auch: „Es wäre toll, wenn kreative Menschen mitmachen.“Es fielen noch Stichworte wie gemeinschaftlich genutzer Wohnraum, kreative Projekte, Beteiligung der Bürgerschaft, die Frage, ob Flüchtlingsunterkünfte im Anschluss für Mieter geöffnet werden könnten.
Die Quintessenz der Schlussrunde: Man müsse etwas tun, kreative Lösungen entwickeln, nach Möglichkeiten suchen und beginnen, echte Wohnquartiere zu entwickeln.
„Alleinerziehende, Menschen mit ehrbaren Berufen, Rentner“,