Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Neuer ZF-Chef setzt auf Kontinuität
Der neue ZF-Chef Scheider will auf der bisherigen Strategie aufbauen
FRIEDRICHSHAFEN (ben) - Der neue ZF-Chef Wolf-Henning Scheider hat sich klar zu den Richtungsentscheidungen seines Vorgängers bekannt. „Ich halte die Strategiearbeit für treffend und gut“, sagte Scheider im Interview mit der „Schwäbischen Zeitung“am Rande der Bilanzpressekonferenz des Automobilzulieferers am Donnerstag in Friedrichshafen. Bei einem Rekordumsatz von 36,4 Milliarden Euro steigerte die ZF ihren operativen Gewinn von 2,2 auf 2,3 Milliarden Euro.
FRIEDRICHSHAFEN - Die Angst vieler ZF-Führungskräfte ist wohl unbegründet gewesen. Im Dezember, auf dem Höhepunkt des Streits zwischen dem früheren Chef des Automobilzulieferers, Stefan Sommer, und dem Vertreter des Eigentümers, Friedrichshafens Oberbürgermeister Andras Brand, hatten Vertreter des oberen Managements noch überlegt, einen Brief zu schreiben. Geplanter Inhalt: Brand, der als Rathauschef die Zeppelin-Stiftung in der Hauptversammlung vertritt, möge sich doch bitte mit seinem Vorstandschef einigen, um die maßgeblich von Sommer entwickelte Strategie „ZF 2025“nicht zu gefährden. Der Brief wurde nicht geschrieben, Sommer entlassen, und der Aufsichtsrat holte Wolf-Henning Scheider als neuen ZF-Chef.
Erleichtert dürften die Fast-Briefschreiber nun die Worte des ehemaligen Mahle-Vorstandschefs vernommen haben. „Ich habe mir die Ausrichtung des Unternehmens angeschaut, ich finde die Richtung stimmt“, sagte Scheider am Vorabend seiner ersten Bilanzpressekonferenz für das Friedrichshafener Traditionsunternehmen. Und fügte am Donnerstag bei der Präsentation der guten Zahlen die Begründung für seine Einschätzung an. „Kennen Sie einen anderen Automobilzulieferer, der alle für die Zukunft wichtigen elektronischen und megatronischen Komponenten beherrscht“, fragte Scheider – und führte die Felder, in denen er ZF für die Zukunft gut gerüstet sieht, sofort auf: autonomes und automatisiertes Fahren, aktive und passive Sicherheitskomponenten, Antriebstechnologie, Elektromobilität und Fahrwerktechnik. Auf die Frage, wo der neue ZF-Chef sein Unternehmen in zehn Jahren sieht, antwortete Scheider mit den strategischen Kernelementen, für die sein Vorgänger in den Jahren zuvor wieder und immer wieder geworben hatte: „See. Think. Act und Vision Zero, das ist für mich ZF.“Klarer als mit dem Verweis auf dieses Ziel hätte das Bekenntnis nicht ausfallen können: Auch er will Autos bauen, die keine Unfälle mehr machen und autonom unterwegs sind, also sehen, denken und reagieren können.
Wolf-Henning Scheider stellte dabei aber auch klar, dass ZF auf Partnerschaften, Zukäufe und Kooperationen angewiesen ist, um diese Ziele zu erreichen. „Wir leben nicht mehr in einer Welt, alles allein machen zu können – das ist nicht leistbar und auch nicht erforderlich“, erklärte der Manager. Für die Antwort auf die Frage, die Stefan Sommer und Andreas Brand im vergangenen Jahr am Ende vollends entzweit hatte, nämlich die, ob ZF einen Bremsenhersteller brauche, um die Lastwagensparte für die Zukunft zu rüsten, erbat sich Scheider noch einige Monate Aufschub. „Ob wir einen solchen Zukauf brauchen – geben Sie mir da doch noch etwas Zeit“, sagte Scheider. Klar sei aber, dass ZF die Kraft habe, auch größere Aquisitionen zu finanzieren. „Wir schauen andauernd, ob wir in unseren Geschäftsfeldern Lücken haben, und wir werden die Chancen ergreifen, wenn sie sich uns bieten“, erklärte Scheider. Die Möglichkeit, mit dem Münchener Bremsenbauer Knorr-Bremse zusammenzuarbeiten oder ihn gar zu übernehmen, kommentierte der 55-Jährige mit einem Grinsen. „Wir schauen immer auf die Bremse, das ist ja gelebte Praxis bei ZF in den vergangenen Jahren – weiter sind wir allerdings nicht.“
Weiterkommen will Scheider allerdings bei der Entwicklung neuer Produkte. 2018 werde ZF noch stärker als bisher in Forschung und Entwicklung investieren. Weltweit sollen deutlich mehr als zwei Milliarden Euro unter anderem in die Weiterentwicklung von Elektroantrieben und in das automatisierte Fahren fließen. Vor diesem Hintergrund kündigte der ZF-Chef auch an, in Zukunft die Start-up-Kultur innerhalb des Unternehmens verstärkt zu fördern.
Die Idee ist, dass Teams aus verschiedenen Bereichen eigenständiger zusammenarbeiten, um sich besser auf die rasanten Veränderungen in der Autoindustrie einzustellen. Als Beispiel stellt ZF die Anwendung „Sound AI“vor, die mithilfe von künstlicher Intelligenz Geräusche in der Umgebung eines Autos wie Polizeisirenen erkennt und den Fahrer über ein Display warnt. Zwei Mitarbeiter hätten die Idee für das Programm gehabt, sie soll nun im Unternehmen weiterentwickelt werden. Dass er das Unternehmen selbst so weiterentwickeln kann, wie er das für richtig hält, daran lässt Scheider keinen Zweifel. „Ich habe gespürt, dass der Vorstand alle Freiheiten hat, ZF gut in die Zukunft zu führen“, erklärte der Manager, nachdem er kurz vor der Präsentation der Jahresbilanz mit dem Aufsichtsrat und Vertretern der Eigentümer zusammengesessen hatte. Genau diese Freiheit hatte sein Vorgänger allerdings vermisst und bei Oberbürgermeister Andreas Brand eingefordert. Es war der Anfang eines tiefen Zerwürfnisses und das Ende des Vorstandschefs Stefan Sommer.