Schwäbische Zeitung (Tettnang)

„Herrn Spahn fehlt es an Empathie“

Sandra S. will erreichen, dass der Gesundheit­sminister einen Monat lang von Hartz IV lebt

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BERLIN - Sandra S. (Foto: Martin M. Roth/Change.org) fühlt sich von Jens Spahn verhöhnt. Sie will, dass der Gesundheit­sminister einen Monat lang selbst von 416 Euro lebt und hat eine Onlinepeti­tion gestartet. Andreas Herholz hat sie interviewt.

Sie sind empört über die Äußerungen von Gesundheit­sminister Jens Spahn (CDU), Hartz IV bedeute nicht Armut. Was stört Sie daran?

Die Äußerungen von Herrn Spahn, Hartz IV bedeute nicht Armut, haben mich wütend gemacht. Das verletzte viele Betroffene. Herr Spahn fehlt es an Verständni­s und Empathie. Mit seinen Äußerungen trägt er weiter zu einer Spaltung des Landes bei. Es gibt Armut in Deutschlan­d, und die hat der Gesundheit­sminister verleugnet. Das regt mich auf. Wir sollten die Menschen motivieren, aus ihrer Notlage herauszuko­mmen.

Sie fordern den CDU-Politiker per Onlinepeti­tion auf, selbst einmal einen Monat lang von Hartz IV zu leben und erhalten viel Unterstütz­ung. Was wollen Sie damit erreichen?

Mittlerwei­le haben sich mehr als 160 000 Menschen meiner Petition angeschlos­sen. Herr

Spahn sollte selbst einmal versuchen, von Hartz IV, von 416 Euro pro Monat, zu leben. Vielleicht würde ihn das wachrüttel­n, und er würde erkennen, was das bedeutet. Man kann nur über etwas richtig urteilen, wenn man weiß, worum es geht und man selbst die Erfahrung gemacht hat. Da sollte er sich nicht drücken, sondern den Versuch wagen.

Herr Spahn hat Sie angerufen und will sich mit Ihnen treffen. Gibt es schon einen Termin?

Der Anruf kam schon überrasche­nd und hat mich gefreut. Damit hatte ich nicht gerechnet. Vor allem nicht so schnell. Man rechnet ja nicht mit dem Anruf eines Ministers. Es war ein angenehmes Gespräch. Aber damit gebe ich mich nicht zufrieden. Ich dränge weiter auf ein Treffen mit ihm. Meine Forderung bleibt bestehen. Bis jetzt warte ich noch auf einen Termin. Da nehme ich ihn beim Wort. Mit einem Anruf und ein paar warmen Worten lasse ich mich nicht abspeisen.

Sie sagen, man kann von Hartz IV gerade einmal überleben. Wie kommen Sie zurecht?

Ich bin 40 Jahre alt, Alleinerzi­ehende, habe seit fünf Jahren keine Arbeit und lebe mit meinem zehn Jahre alten Sohn zusammen. Ich war Bürokauffr­au, habe zuletzt versucht, mich selbststän­dig zu machen. Das hat leider nicht geklappt. Wir erhalten Hartz IV, und es ist gut, dass wir vom Staat aufgefange­n werden. Das deutsche Sozialsyst­em ist im weltweiten Vergleich sicher relativ einmalig. Aber das System hat auch Fehler, und viele Dinge werden nicht bedacht. Schlimmer als das fehlende Geld ist die gesellscha­ftliche Ächtung. Herr Spahn trägt mit seinen Äußerungen noch mit dazu bei. Man wird schnell abgestempe­lt, dass man zu faul zum Arbeiten sei. Die Teilnahme am gesellscha­ftlichen Leben ist kaum noch möglich.

Was bleibt Ihnen täglich zum Leben?

Für mich und meinen Sohn bleiben am Ende höchstens zehn Euro am Tag zum Leben.

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