Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Ein Street-Art-Projekt für Ravensburg
Berliner Künstler und Musiker Jim Avignon malt in der Kunsthalle Arnold
RAVENSBURG - Was macht eine Stadtverwaltung, wenn für die Sanierung des zentralen Parkhauses mitten in der historischen Altstadt am Marienplatz ein Riesenaggregat – insgesamt 6x16x7 Meter – für etwa neun Monate aufgestellt werden muss? Einfach nur isolieren, verkleiden und anstreichen? Wäre vermutlich öde. Es bedurfte also einer zündenden Idee, um die technische Notwendigkeit optisch gefällig zu gestalten.
Für alle eine Stabssache, denn der Aufstellungsort vor der Längsseite des Kornhauses ist prominent: Baubürgermeister Dirk Bastin, Stadtmarketingleiter Andreas Senghas und Kulturdezernent Simon Blümcke beauftragten also den Designer Bernhard Gögler von der Agentur „Zone für Gestaltung“mit dieser Aufgabe. Er dachte zunächst an historische Darstellungen zur Geschichte des Platzes, der jahrhundertelang Bauernmarkt gewesen ist.
Inzwischen jedoch hatte Carin Arnold Anfang März ihre neue Ausstellung mit mehr als 80 Werken des Berliner Künstlers und Musikers Jim Avignon in der „Kunsthalle Ravensburg“eröffnet. Und diese farbintensiven, witzigen, schrillen, viele Geschichten erzählenden Bilder zündeten die Idee bei Bernhard Gögler, damit das Außengehäuse des Aggregats zu „tapezieren“. Da lag auch gleich die Idee nahe, Jim Avignon direkt auf große OSB-Platten malen zu lassen. Und der erklärte sich zu zweieinhalb Tagen Arbeit am Ort bereit – mit zwei Helferinnen. Also mal kein langer Marsch durch die Ämter! Ganz fix schlossen sich die Beteiligten kurz. Carin Arnold stellte den Raum plus stabiler Plastikplane zur Verfügung, die Firma Reisch stiftete die OSBPlatten, die weiß grundiert wurden. Vorarbeit war natürlich auch in Berlin nötig, denn Ravensburg, die Stadt der Türme, sollte ja was Passendes bekommen. Also machte der Künstler einen Entwurf im DIN-A3-Format. Trotz Zugverspätung am Anreisetag ging es am Mittwochmorgen um 9 Uhr los – schließlich ist Jim Avignon ein wuseliger Schaffer, der seine Motive und Formen im Griff hat. Aus der Hand heraus macht er die Vorzeichnung mit Bleistift und setzt die schwarzen breiten Konturen mit einem abgeschrägten Flachpinsel ebenfalls mit sicherem Schwung. Er hat das offensichtlich schon millionenfach gemacht und vermutlich – als Straßenmaler früher – auf wesentlich weniger komfortablen Untergrund gezeichnet.
Bis mittags um eins hat er die Konturen fertig und nun kann das Ausfüllen mit Farbe beginnen. Mann, ist der schnell! Schon beim Farbenmischen alles aus der Lameng, wie ein Koch mit Gewürzen – wird einem ganz schwindlig. Aber bei allem ist er sehr präzise. Was macht er, wenn die Volltonfarbe nicht so schnell trocknet? Na ja, meint er, ein paar Macken müsse man schon in Kauf nehmen. Ganz strikt wird er auch den Vorentwurf nicht ausführen – so viel künstlerische Freiheit muss sein. Aber die Ravensburger Türme, das Rathaus und ein paar schrille Typen - Ähnlichkeiten mit lebenden Personen rein zufällig, aber erlaubt – sind in jedem Fall darauf zu sehen. Die Beachtung der Passanten ist schon jetzt garantiert!