Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Zwischen Gewalt und sprachlichen Barrieren
Das „Dramski Studio“aus Sarajevo gastiert mit dem Stück „Misliš da ne vidim?“bei den Theatertagen am See
FRIEDRICHSHAFEN - Das „Dramski Studio“aus Sarajevo hat bei den Theatertagen am See am Mittwochabend einen Auftritt gegeben, der selbst für die Verhältnisse dieses Festivals ungewöhnlich war. Das Stück der jungen Laienschauspieler wurde nämlich in deren bosnischer Muttersprache aufgeführt.
Die Städtepartnerschaft Friedrichshafens mit der Hauptstadt von Bosnien und Herzegowina war der Anlass für die Einladung der Gruppe zu den Theatertagen. „Misliš da ne vidim?“war der Titel des Stücks, im Programm auch stets mit der englischen Übersetzung aufgeführt, die deutsche „Du glaubst ich kann nicht sehen?“fand man erst in der Stückbeschreibung.
Dass das Stück durchaus textlastig sein würde, hatte die Gruppe den Theatertagen schon im Voraus mitgeteilt und eigentlich hätte es daher Sonderveröffentlichung wenigstens noch, wie im Programm angekündigt, eine Erklärung in englischer Sprache geben sollen. Daraus wurde aber nichts, da es mit der Kommunikation zwischen „Dramski Studio“und der Festival-Organisation haperte. So blieb der Inhalt der meisten Szenen dem Publikum, das kein Bosnisch verstand, teilweise oder gänzlich verschlossen. Das war schade, denn schlecht spielten die jungen Leute gewiss nicht. Ein paar einführende Worte vor jeder Szene hätten wahrscheinlich schon ausgereicht, um den Inhalt verständlich zu machen.
Schauspielprojekt für Jugendliche
Das Thema des Stücks war Gewalt. Dazu hatten sich die Darsteller im Alter von 16 bis 18 Jahren eine Menge Gedanken gemacht und wahre Begebenheiten zu einem Theaterstück verarbeitet. Eine durchgehende Handlung gab es dabei nicht, es war ein Episodenspiel. Entstanden war das Ganze im Rahmen eines Schauspielprojekts für Jugendliche im Lauf von sieben Monaten unter Leitung von Vanesa Glodo und unter Mithilfe einer Profi-Schauspielerin.
Die Leistung, die auf der Bühne zu sehen war, ließ die professionelle Führung und lange Vorbereitungszeit auch deutlich erkennen. Fast alles was gezeigt wurde war sehr lebensecht dargestellt. Körpersprache, Mimik und Stimme bildeten eine überzeugende Einheit. Es wurde deutlich, aber nicht übertrieben gespielt. Die Stellen die doch etwas aufgesetzt wirkten, waren selten.
Daher war ein Gutteil des Stückes inhaltlich zu verstehen, auch ohne Übersetzung. Zoff auf dem Fußballfeld weil einer der Spieler von nun an lieber ins Ballett gehen möchte, oder ein unaufhörlicher Ehestreit in dessen Folge der Sohn zur Schusswaffe greift, werden auch ohne Sprachkenntnisse klar. Und wenn zwei Mädchen in langen weißen Hemden auf Kisten gestützt in die Ferne blicken und sich unterhalten, versteht man, dass sie im Krankenhaus sind und aus den Fenstern schauen. Aber worum das Gespräch, das den alleinigen Inhalt dieser Szene bildet, geht, das bleibt dem deutschsprachigen Zuschauer ebenso verschlossen wie viele andere Szenen.
Allerdings waren im Publikum recht viele Personen, die offensichtlich Bosnisch verstanden und an deren Reaktionen konnte auch der Nichtverstehende erkennen, dass der Text dem spielerischen Ausdruck wohl nichts nachstand. Inmitten des sehr ernsten Gesamtinhalts des Stücks war immer wieder etwas Komik eingearbeitet, um die Stimmung nicht gar zu erdrückend werden zu lassen. Deren Höhepunkt war sicherlich, als die Polizisten sich ihren Kollegen als lebenden Rammbock unter die Arme klemmten, um verschlossene Türen aufzubrechen.
Das Stück hatte in seiner Gesamtheit Hand und Fuß und kam mit wenigen Requisiten und Kostümen aus. Die Jugendlichen und ihre Leiter haben ganz offensichtlich eine Menge Arbeit hineingesteckt, die sich voll und ganz gelohnt hat.