Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Vom Leid Mariens unter dem Kreuz
Liebenauer Konzert führt mit Pergolesis „Stabat mater“in die Karwoche – Publikum lauscht andächtig den Klängen
LIEBENAU - Kein Laut war am späten Sonntagnachmittag neben der Musik und den Stimmen der Sängerinnen zu hören, als im Rahmen der Liebenauer Konzerte in der Kirche St. Maria Giovanni Battista Pergolesis „Stabat mater“erklang. Andächtig haben alle Zuhörer das intime Meisterwerk auf sich wirken lassen, das in einfacher, natürlicher Sprache die tiefe Trauer Mariens unterm Kreuz betrachtet und zuletzt hinführt zur Hoffnung auf die „paradisi gloria“, die himmlische Seligkeit.
Damit hat dieses Konzert genau der Idee entsprochen, die hinter den Liebenauer Konzerten steht: dass Menschen mit Behinderungen gemeinsam mit anderen Menschen Musik erleben, Kultur auf hohem Niveau, wie Prälat Michael H.F. Brock in seiner Begrüßung sagte. Und Kultur auf hohem Niveau war es in Auswahl und Ausführung.
Mit seiner Betrachtung der leidenden Gottesmutter lenkte das Werk an Palmsonntag den Blick auf die Karwoche, auf die Passion Christi. Ganz behutsam ist die musikalische Vision, die der an Tuberkulose erkrankte 26-jährige Komponist im Winter 1735/36 noch auf dem Totenbett vollenden konnte. Verinnerlicht klingt die Klage der Mutter um ihren toten Sohn, ein stilles Sich-Versenken, Sich-Wiegen im Schmerz, eine Trauer in wunderbarer Schönheit und dabei nicht weniger anrührend.
Kraftvoll und wieder innig leise
Martin Dücker, der Betreuer der Konzertreihe, bis 2016 Domkapellmeister in Stuttgart, hat sich für die Urfassung für zwei Sängerinnen und Streicher entschieden, wobei Sopranund Altsolo übernehmen, was ursprünglich für Kastraten war. Unter Dückers Leitung folgten die fünf Streicher – Lehrer an Musikschulen von Friedrichshafen, Meckenbeuren und Tettnang – den Stimmungen in den Vorspielen, dem „chiaroscuro“, dem gegensätzlichen Hell-Dunkel, und waren sensible Partner für die Sängerinnen. Kraftvoll und wieder innig leise führten die jungen Sängerinnen, die Sopranistin Natasha López und die Altistin Julia Werner, in perfekter Harmonie in ruhigem Fluss durch Höhen und Tiefen. Arien und Duette sind bald opernhaft und galant, bald hört man ein inniges Wiegenlied heraus. Sie lassen die Folter der Mutter empfinden, versenken sich in das Leiden, begehren ungestüm auf, als Christus den Geist aufgibt.
In tiefer Trauer meditiert die Altistin die Wundmale Christi, ehe das mittelalterliche Gedicht sich dem Gläubigen zuwendet, der mit der Mutter fühlt. Noch einmal genießt man den Einklang der Stimmen, der Musiker, ehe nach kurzem Einhalt das jubelnde Amen die Herrlichkeit des Paradieses vorwegnimmt. Ein freudiges Amen, das zu jedem Gloria passen würde und das als Zugabe noch einmal zu hören war.