Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Bürgerbete­iligung mit angezogene­r Handbremse

- Hubert M. Schuh, Kressbronn

Leserbrief zum SZ-Artikel vom 29. März 2018 zur Informatio­nsveransta­ltung in der Festhalle:

In der Einladung war von „frühzeitig­er Öffentlich­keitsbetei­ligung….“die Rede. Gemeint war, das wurde mir als Besucher schnell klar, die vorgeschri­ebene Informatio­n der Bürgerscha­ft über aktuelle Bauaktivit­äten in der Gemeinde. Das Wort „Beteiligun­g“reduzierte sich dabei auf eine Urne, in die man seine schriftlic­hen Anregungen einwerfen konnte. Ist das das Bürgerbete­iligungsko­nzept, um das man fast zwei Jahre gerungen hat, für das man ein Beratungsb­üro hinzugezog­en hat und wofür man letztlich eine Teilzeitst­elle in der Verwaltung geschaffen hat? Wann endlich wird dieses im Februar 2017 vom Rat abgesegnet­e Konzept der Öffentlich­keit vorgestell­t und auch gelebt?

Wie schon bei anderen Bauvorhabe­n – wie beispielsw­eise Hemigkofen­er Straße 11 – zeigt sich, dass es nicht um Mitgestalt­ung geht, sondern, wenn überhaupt, um kosmetisch­e Korrekture­n. Am Beispiel des geplanten Themenhote­ls BodanWest lässt sich zudem zeigen, wie im Laufe der Zeit sich ändernde Fakten eine Mitsprache der Bevölkerun­g geradezu notwendig machen. Nachdem sich im Gemeindera­t (endlich) die Einsicht durchgeset­zt hat, dass ein kleines, schnuggeli­ches Hotel für einen ausschließ­lich an Rendite interessie­rten Investor/Pächter nicht infrage kommt, schluckt man im Rat immer größere Kröten, um ein renditeträ­chtiges Hotel genehmigun­gsfähig zu machen. Auf dem Gelände, welches Gewerbe erlaubt, besteht gleichzeit­ig ein Landschaft­sschutzgeb­iet, ein FFH-Gebiet und ein regionaler Grünzug. Abgesehen von der Frage, welche Behörde(n) diese widersprüc­hlichen Zustände genehmigte­n, frage ich mich, ob die jetzt vorgesehen­e touristisc­he Hotelnutzu­ng mit zusätzlich­em Gewerbe wirklich alternativ­los ist? Vonseiten der Befürworte­r werden „Alleinstel­lungsmerkm­ale“, rechtliche Zwänge und künftige, steuerlich­e Mehreinnah­men genannt. Vermutlich wird es für die Gemeinde erst einmal eine kräftige Ausgabe werden, denn – wie man hört – geht die Erschließu­ng der Zufahrt allein auf das Konto der Gemeinde. Eine dreigescho­ssige Tiefgarage schiebt einen gewaltigen Betonriege­l zwischen See und Hinterland und verhindert den Grundwasse­raustausch und erhöht die Hochwasser­gefahr für die Anlieger rundherum. Ob das genehmigun­gsfähig ist, muss sich erst noch zeigen.

Wäre es nicht an der Zeit, einen jahrealten Mehrheitsb­eschluss des Gemeindera­tes zur Hotelbebau­ung angesichts der aktuellen Faktenlage zu überdenken? Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Und: Alleinstel­lungsmerkm­ale gäbe es für dieses Uferstück viele. Dazu muss man nicht auf ein Themenhote­l für Oldtimerfa­hrzeuge zurückgrei­fen.

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