Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Kampf gegen den Feinstaub
Ein Informatiker kämpft auf eigene Faust dagegen an
MOSKAU (AFP) - „Regelmäßig versinkt die Stadt im Smog und den Menschen fällt das Atmen schwer“, sagt Igor Specht. Der Informatiker lebt in Krasnojarsk, einer Industriemetropole in Sibirien. Hier stehen Dutzende Fabriken und eines der größten Aluminiumwerke der Welt. Die abgelegene Millionenstadt 4000 Kilometer östlich von Moskau ist nicht nur bekannt für ihre Industrie, sondern auch für ihre schlechte Luft. Das russische Umweltministerium zählt sie zu den am stärksten belasteten Städten. Dennoch unternahmen die Behörden lange nichts, um die Luftqualität zu verbessern.
„Der Wetterdienst sagt, dass die Konzentration der schädlichen Partikel die Grenzwerte nicht überschreitet“, sagt Umweltschützer Specht. „Wir haben den Eindruck, dass wir betrogen werden.“Deshalb wurden Specht und weitere Gleichgesinnte aktiv. „Nachdem das Umweltministerium und der Wetterdienst jahrelang untätig blieben, haben wir beschlossen, den Grad der Verschmutzung selbst zu messen“, sagt Specht. Ende vergangenen Jahres installierten die Aktivisten sieben Messstationen aus französischer Produktion.
Messdaten im Netz
Die Daten werden in Echtzeit auf der Webseite krasnoyarsknebo.ru, in sozialen Medien und auch über Smartphone-Apps veröffentlicht. Lachende oder traurige Gesichter zeigen die aktuelle Luftqualität an. Meist sind bekümmerte Mienen zu sehen - die Grenzwerte werden häufig drastisch überschritten.
Die Stationen der Umweltschützer messen die Belastung mit Feinstaub der Partikelgröße PM 2,5. Diese Partikel sind besonders gefährlich, da sie tief in die Atemwege eindringen können. Sie können Asthma, Allergien, Krebs und Herz-KreislaufErkrankungen verursachen. Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sollte die tägliche Konzentration dieser winzigen Partikel nicht mehr als 25 Mikrogramm pro Kubikmeter betragen. Die russischen Behörden setzen den Grenzwert bei 35 Mikrogramm an. Anfang Februar maßen die Umweltaktivisten allerdings eine hochgiftige Konzentration von 200 Mikrogramm pro Kubikmeter.
Die Initiative der Umweltschützer kam bei den Behörden zunächst gar nicht gut an. Der lokale Wetterdienst zeigte Specht an, weil er keine Zulassung für die Messungen habe. „Leute können laut Gesetz die Verschmutzung messen, nicht aber die Daten im Internet veröffentlichen“, sagt Oksana Salinkowa. Die Sprecherin des Wetterdienstes in Krasnojarsk räumt aber gleichzeitig ein, dass die Behörde selbst gar nicht über die notwendigen Geräte verfüge, um die PM 2,5-Konzentration zu messen. Das russische Umweltministerium in Krasnojarsk unterstützt Specht mittlerweile. Und Menschen aus anderen Industriestädten hätten sich schon bei ihm gemeldet, sagt Specht.