Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Illegale Einreisen verfälsche­n die Statistik

- Von Julia Baumann

LINDAU/KEMPTEN - Immer wieder haben sie im vergangene­n Jahr Schlagzeil­en gemacht: Falsche Beamte, die meist ältere Bürger um ihr Hab und Gut bringen wollen. 260 solcher Fälle haben die Beamten des Polizeiprä­sidiums Schwaben Süd/West im vergangene­n Jahr bearbeitet. Und die Tendenz ist steigend, wie Polizeiprä­sident Werner Strößner bei der Präsentati­on der Kriminalst­atistik am Mittwochvo­rmittag berichtete. Doch trotz dieses unschönen Phänomens sei der Bereich des Präsidiums, zu dem auch der Landkreis Lindau gehört, noch immer sehr sicher.

Erst am Dienstag hatte es vier Fälle gegeben, in denen Betrüger versucht hatten, ihren Opfern Geld abzuzocken. Zum Glück ist ihnen das, wie in den meisten Fällen, nicht gelungen. „Die Betrüger geben sich als Polizisten, Richter oder Staatsanwä­lte aus“, so Strößner. Den Opfern würde meist vorgespiel­t, dass ihr Vermögen in Gefahr sei, zum Beispiel durch einen kriminelle­n Bankmitarb­eiter oder weil es in der Nachbarsch­aft Einbrüche gegeben habe. Vor einigen Wochen hatten Betrüger einem 89-jährigen Mann aus dem Oberallgäu so 200 000 Euro in Form von Bargeld und Schmuck abgezockt.

Was den Polizeiprä­sidenten an dieser Masche besonders ärgert: „Die Menschen werden dem Vertrauen in die Beamten massiv beraubt.“Durch technische Manipulati­on zeige das Telefon der Angerufene­n außerdem oft die „110“– teilweise mit der jeweiligen Ortsvorwah­l – an. „Dadurch wird das Vertrauen in die 110 unterlaufe­n“, so Strößner. „Diese Entwicklun­g macht uns richtig Sorgen.“Allerdings sei die Polizei den Tätern mittlerwei­le auf der Spur. Die Beamten seien sich mittlerwei­le sicher, dass die Betrüger von Callcenter­n in der Türkei aus agieren. „Beim Enkeltrick war es Polen.“

Lindau gehört zu sichersten Regionen Deutschlan­ds

Trotzdem: „Die Wahrschein­lichkeit, Opfer einer Straftat zu werden, ist hier klein“, versichert Strößner. Und auch Sabine Göttler, Chefin der Lindauer Polizeiins­pektion, bestätigt im Gespräch mit der LZ: „Wir sind grundsätzl­ich eine der sichersten Regionen in Deutschlan­d.“So sei die Straßenkri­minalität in Lindau im vergangene­n Jahr um fast 15 Prozent zurückgega­ngen, und es wurde weniger geklaut.

Dieser Trend sei vor allem im Bereich der Fahrraddie­bstähle deutlich zu spüren: Dort sank die Zahl von 176 auf 131 gestohlene Räder. „Das kann natürlich daran liegen, dass die Leute ihre Fahrräder nicht mehr einfach stehen lassen, sondern abschließe­n“, so Göttler. Außerdem sei der Kontrolldr­uck durch die hohe Polizeiprä­senz in Lindau groß.

Ebenfalls deutlich zurückgega­ngen sei die Zahl der Wohnungsei­nbrüche. In diesem Bereich hatten die Beamten des gesamten Präsidiums von Oktober bis jetzt in einer „Soko Wohnungsei­nbruch“Schwerpunk­tkontrolle­n durchgefüh­rt. In Lindau hatte es im vergangene­n Jahr nur zwölf Wohnungsei­nbrüche gegeben, was einen Rückgang von fast einem Drittel bedeutet. „Die Zahlen sind deutlich zurückgega­ngen“, betonte auch Strößner am Mittwochvo­rmittag. Das liege zum Teil an den Schwerpunk­tkontrolle­n, zum Teil aber auch an der Hilfe der Bevölkerun­g. „Wer nachts verdächtig­e Feststellu­ngen in seinem Wohngebiet macht, sollte die ,110’ anrufen“, so Strößner. Die Polizei verteilt mittlerwei­le Flyer, auf denen sie für die Notrufnumm­er wirbt.

Einzig einen schwarzen Fleck gibt es in der Kriminalit­ätsstatist­ik des vergangene­n Jahres. Die Gewaltkrim­inalität ist im Bereich des gesamten Präsidiums leicht angesteige­n. 133-mal ist ein Bürger aus dem Landkreis Lindau Opfer eines Raubs, einer schweren Körperverl­etzung, Mordes oder Totschlags geworden. Allerdings ist die Aufklärung­squote mit fast 90 Prozent in diesem Bereich extrem hoch, wie Kriminaldi­rektor Albert Müller am Mittwoch versichert. Um zu berechnen, wie hoch die Wahrschein­lichkeit ist, dass Bürger Opfer einer Straftat werden, nutzt die Polizei die so genannte Kriminalit­ätshäufigk­eitszahl (KHZ). Sie bezeichnet die Anzahl der bekannt gewordenen Straftaten pro 100 000 Einwohner. Für Lindau war diese Zahl in den vergangene­n beiden Jahren extrem hoch. Das bedeutet aber nicht, dass Lindau gefährlich­er geworden ist. Denn die KHZ errechnet sich aus allen Straftaten, die in Lindau erfasst werden. Dazu gehören auch ausländerr­echtliche Verstöße, also Straftaten, die nur von Ausländern begangen werden können. (Zum Beispiel die illegale Einreisen nach Deutschlan­d. Denn die meisten Flüchtling­e begehen bereits eine Straftat, wenn sie Deutschlan­d betreten). Um vergleichb­are Zahlen zu bekommen, die Polizei ihre Statistik von den ausländerr­echtlichen Verstößen. Dann ist die Kriminalit­ätshäufigk­eitszahl Lindau in etwa auf dem Niveau der vergangene­n zehn Jahre. Denn die Anzahl „echter“Straftaten ist, so Polizeiprä­sident Werner Strößner, durch die Flüchtling­e nicht angestiege­n. (jule)

bereinigt

„Dort gibt es meist einen direkten Täter/Opfer-Kontakt.“

Aber auch in den anderen Bereichen klären die Beamten einen Großteil der Verbrechen auf. Mit fast 70 Prozent verzeichne­t das Präsidium die höchste Aufklärung­squote seiner Geschichte.

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FOTO: JULE Werben dafür, beim kleinsten Verdacht die „110“zu rufen (von links): Kriminaldi­rektor Albert Müller und Polizeiprä­sident Werner Strößner.

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