Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Zufriedenheit mit dem Tarifabschluss
POTSDAM (dpa) - Nach der Tarifeinigung im öffentlichen Dienst auf insgesamt 7,5 Prozent höhere Einkommen sind weitere Streiks vom Tisch. Bundesregierung, Gewerkschaften und Kommunen zeigten sich hochzufrieden mit der Einigung. Jedoch gab es am Mittwoch auch Kritik an den hohen Kosten.
Durchbruch nach Mitternacht: Erst in den frühen Morgenstunden schlugen am Mittwoch alle Tarifparteien ein und Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) lobte: „Das ist ein einzigartiger Tarifvertrag.“Zweieinhalb Tage und Nächte Verhandlungspoker in Potsdam waren damit zu Ende. Herausgekommen sind in mehreren Stufen bis 2020 durchschnittlich 7,5 Prozent mehr Gehalt für die 2,3 Millionen Beschäftigten im Öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen.
Dank der sprudelnden Einnahmen gibt es einen ordentlichen Schluck aus der Pulle. Über „das beste Ergebnis seit vielen Jahren“jubelt Verdi-Chef Frank Bsirske und ergänzt trotz des zähen Ringens und der massiven Warnstreiks im Vorfeld: „So viel Harmonie war selten.“
Kuschelkurs zwischen Politik und Arbeitnehmervertretern. „Das sind uns die Beschäftigten wert“, gab Seehofer am Mittwoch den großzügigen Arbeitgeber und hatte dabei auch die bayerische Landtagswahl im Herbst fest im Blick. Knauserigkeit gegenüber den Polizisten und Grenzschützern im Freistaat, womöglich neue Streiks mit massiven Verkehrsbeeinträchtigungen – das galt es für Seehofer unbedingt zu verhindern.
Tatsächlich geht es für alle Tarifgruppen – die für die Einigung teils neu sortiert wurden – in drei Stufen deutlich nach oben: Rückwirkend zum 1. März um 3,19 Prozent zum 1. April kommenden Jahres um weitere 3,09 Prozent und ein Jahr später noch einmal 1,06 Prozent. 30 Monate läuft der neue Tarifvertrag und wird auch auf die Beamten übertragen. Im Schnitt liegt das Plus bei 7,5 Prozent, mindestens aber bei 6,8. Besonders für Beschäftigte mit niedrigem Einkommen hatte sich Verdi eingesetzt, sie erhalten eine Einmalzahlung von 250 Euro. Freuen dürfen sich auch die Azubis, für die es in zwei Stufen um 100 Euro hochgeht. Kostenpunkt: 2,2 Milliarden Euro für den Bund und 7,5 Milliarden Euro für die Kommunen. Attraktiver für Fachkräfte Das ist eine massive Belastung für Städte und Gemeinden – dennoch ist auch deren Verhandlungsführer Thomas Böhle, Präsident des Verbandes der Kommunalen Arbeitgeber (VKA), einverstanden. Er sieht gestiegene Chancen, auf dem angespannten Fachkräfte-Arbeitsmarkt dank höherer Gehälter genug Erzieher, IT-Spezialisten oder Ingenieure anwerben zu können. Und er lobt die lange Laufzeit von zweieinhalb Jahren – so lange herrscht nun Ruhe.
Aber 7,5 Prozent mehr Gehalt für alle Beschäftigten, ist das auch von den vielen klammen Kommunen zu stemmen? Der Städtetag ist alarmiert über den dicken Brocken. Für strukturschwache Städte mit hohen Sozialausgaben und Defiziten sei das nur „schwer zu verkraften“, sagte Städtetagspräsident Markus Lewe. Und Landkreistagspräsident Reinhard Sager warnt vor „allzu schweren Hypotheken“für die kommenden Jahre. Der Präsident des Steuerzahlerbundes, Reiner Holznagel, sprach von der Gefahr einer Überforderung der öffentlichen Haushalte. „Ich sehe sehr große Probleme auf die Kommunen zukommen, diese Abschlüsse zu finanzieren“, sagte Holznagel
Letztlich spielten die starke Konjunktur, der Fachkräftemangel und die geringe Streitlust von Bund und Kommunen den Gewerkschaften in die Karten. Zufriedene Mienen auch beim Deutschen Beamtenbund, dessen Chef Ulrich Silberbach von einem „guten Tag für den öffentlichen Dienst“sprach. Verdi-Chef Bsirske fand Gefallen am Ringen mit Seehofer und würde sich freuen, „noch viele Verhandlungsrunden mit ihm zu machen“, wie er nach dem Durchbruch augenzwinkernd bemerkte.