Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Zahnarztversorgung mit Lücken
Bei dringenden Fällen sollen Patienten künftig besser die richtige Anlaufstelle kennen
STUTTGART - Patienten, die am Wochenende dringend Hilfe von einem Zahnarzt benötigen, sollen künftig besser über die richtige Anlaufstelle informiert werden. Die Kassenzahnärzte im Land planen entsprechende Verbesserungen. Grund dafür ist unter anderem die Odyssee einer Mutter aus Biberach.
Wer an Wochenenden Zahnschmerzen bekommt und den Hauszahnarzt nicht erreicht, muss sich an einen Notdienst wenden. Dieser muss bis Montag, 8 Uhr, für Notfälle telefonisch erreichbar sein und diese behandeln. Welcher Zahnarzt den Dienst abgedeckt, erfahren Patienten von einer telefonischen Bandansage. Schon hier wird es kompliziert. Denn für jeden Landkreis gilt eine andere Rufnummer.
Schlechte Karten hat außerdem, wer zwischen Freitagnachmittag und Samstag dringend Hilfe benötigt. Denn nur im Bodenseekreis stehen die Notdienst-Ärzte bereits ab Freitag bereit – überall sonst klafft eine Lücke.
Grundsätzlich können sich Patienten vor allem bei Unfällen rund um die Uhr an die Unikliniken Ulm, Tübingen, Freiburg und Heidelberg wenden. Nur: Das erfahren Hilfesuchende weder bei der Bandansage des Notdienstes, noch auf der Internetseite der Kassenzahnärztlichen Vereinigung (KZVBW).
So erging es einer Mutter aus Biberach. Ihre elfjährige Tochter schlug sich beim Sport am Freitagnachmittag drei Zähne aus. Doch weder die Leitstelle unter der Notrufnummer 112 noch die Bandansage des zahnärztlichen Notdienstes nannten der Mutter die Uniklinik Ulm als Anlaufstelle. Und den turnusmäßigen Notdienst-Zahnarzt erreichte sie auch nicht – denn der trat erst am Samstagvormittag den Dienst an. Die Mutter telefonierte zahlreiche Praxen ab, kompetente Hilfe fand sie jedoch erst nach einer schlaflosen Nacht am Samstag. Anfrage an Lucha Die SPD-Landtagsabgeordnete Gabi Rolland las über den Fall in der „Schwäbischen Zeitung“. Sie fragte schriftlich beim zuständigen Sozialminister Manne Lucha nach, wie es zu solchen Fällen kommen könne. Die Antwort: Grundsätzlich liegt die Organisation des Notdienstes in der Verantwortung der 7400 niedergelassenen Zahnärzte selbst. Eine entsprechende Verordnung genehmigt das Land. Außer bei Unfällen reicht es aus Sicht des Gesetzgebers grundsätzlich, wenn von Samstag 8 Uhr bis Montag 8 Uhr Zahnmediziner erreichbar sind. Denn trotz starker Schmerzen – lebensbedrohlich wird es für Zahnpatienten nur bei Unfällen.
Doch auch das Ministerium hält die Informationspolitik der Kassenzahnärztlichen Vereinigung für verbesserungsbedürftig. „Es können nach Ansicht des Ministeriums für Soziales und Integration Bandansagen über die Erreichbarkeit des zahnärztlichen Notdienstes verbessert werden, indem zusätzlich Hinweise auf Internetseiten zur weiteren Suche als auch Angaben zu einer nächstgelegenen Zahnklinik aufgenommen werden“, heißt es in der Antwort auf die SPD-Anfrage.
Die SPD-Politikerin Rolland kritisiert: „Ich hätte nicht gedacht, dass es so schwierig ist, konkrete Anlaufstellen genannt zu bekommen, an die man sich in Baden-Württemberg wenden kann, zum Beispiel nach akuten Zahnunfällen.“Land und Zahnärzte müssten die entsprechenden Informationen besser aufbereiten, etwa im Internet. „Akute Notfallzahnpatienten müssen möglichst schnell der notwendigen Behandlung zugeführt werden können und solche Odysseen, wie jener in der ,Schwäbischen Zeitung‘ beschriebene Notfall aus Biberach, der Vergangenheit angehören.“
Genau dies soll nun rasch geschehen. Bereits vor dem Biberacher Fall habe die KZVBW nach Auskunft eines Sprechers den Verbesserungsbedarf erkannt. In den kommenden Wochen werden die Bandansagen um den Hinweis ergänzt, dass man sich im Falle eine Unfalls an die Unikliniken wenden kann. Bis zum Sommer soll außerdem das Nebeneinander verschiedener Notrufnummern ein Ende haben. Landesweit gilt dann eine Nummer. Dort bekommen Patienten dann Anlaufstellen in ihrer Region genannt. Befragung der Patienten Darüberhinaus befragt die KZVBW gerade Patienten. Das NotdienstAngebot ist eines der Themen. Außerdem will die Geschäftsstelle den Vertretern der Zahnärzte vorschlagen, die derzeitige Notdienst-Versorgung evaluieren zu lassen. „Sollte sich zeigen, dass es Bedarf für Veränderungen gibt, wird das in die Vorschläge des KZV-Vorstandes einfließen“, verspricht Pressesprecher Florian Wahl.