Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Mit harten Gitarren gegen das Unrecht
Die kanadische Punkrock-Institution Propaghandi gastiert nächste Woche in Lindau
LINDAU - Eine musikalische Institution zu Besuch am Bodensee: Mit der kanadischen Band Propaghandi kommt am Mittwoch, 2. Mai, eine der wichtigsten Gruppen der Punkrockszene nach Lindau. Eine rare Gelegenheit, Chris Hannah (Gitarre und Gesang), Todd Kowalski (Bass und Gesang), Jord Samolesky (Schlagzeug) und Sulynn Hago (Gitarre) live zu sehen. „Einzige Club-Show in Deutschland 2018“schreibt der Club Vaudeville auf seiner Internetseite. Es gibt zwar noch zwei weitere Auftritte hierzulande, aber die finden in Saarbrücken und Münster bei kleineren Festivals statt.
Der Club Vaudeville, der dieses Jahr 40. Geburtstag feiert, ist bekannt für seine guten Kontakte in die Szene. Oft findet sich in den Tourplänen großer Bands wie Sepultura, Pennywise oder Boysetsfire neben den obligatorischen Konzerthochburgen Hamburg, Berlin, München und Köln eben auch Lindau. Marc Jehnes, seit vielen Jahren fürs Booking zuständig, freut sich auf den Gig von Propaghandi: „Das ist eine meiner Lieblingsbands“, sagt er. Zu der Agentur habe er einen guten Kontakt, und so sei es kein Problem gewesen, Propaghandi von einem Abstecher an den Bodensee zu überzeugen.
Dass auf den Touren vieler Bands aus den härteren Musikgefilden auch Lindau auf dem Plan ist, hat auch mit damit zu tun, dass sich der gute Ruf des Clubs unter den Bands herumgesprochen hat. Wie das Musikmagazin Visions online berichtete, spielen Propaghandi aufgrund ihrer kapitalismuskritischen Haltung nicht mehr viele Festivals, da diese von großen Firmen gesponsert werden, und suchen sich auch ihre Club-Auftritte genau aus. Das Konzert in Lindau ist fast ausverkauft.
Sänger und Gitarrist Chris Hannah gründete die Band 1986 gemeinsam mit Schlagzeuger Jord Samolesky in Portage La Prairie in der kanadischen Provinz Manitoba. Inzwischen ist Winnipeg, die Hauptstadt der Provinz Manitoba, die Heimat der Band. Den Namen Winnipeg dürften Fans alternativer Gitarrenklänge wohl vor allem durch John K. Samson und dessen Band The Weakerthans (1997 – 2015) kennen. Bevor Samson mit den Weakerthans zu einer der wichtigsten kanadischen Indierockbands avancierte, war er von 1991 bis 1996 Bassist bei Propaghandi.
Auf dem Debütalbum „How to Clean Everything“(1993) klangen Chris Hannah und seine musikalischen Weggefährten noch anders als auf neueren Outputs. Zuvor war Fat Mike, Frontmann der amerikanischen Punkrock-Band NoFX, auf Propaghandi aufmerksam geworden. Er nahm die Band für seine Plattenfirma Fat Wreck Chords unter Vertrag und veröffentlichte die erste Platte der Kanadier.
NoFX, dank mehrerer Auftritte in Lindau ebenfalls keine Unbekannten im Club Vaudeville, sind übrigens am 29. Juni erneut in der Gegend. Das „Punk in Drublic“-Festival macht in Dornbirn Halt, an Land gezogen hat den Auftritt Marc Jehnes.
Eine musikalische Wende leitete das Album „Today’s Empires, Tomorrow’s Ashes“(2001) ein. Seitdem ist der Sound von Propaghandi weniger vom melodischen Punkrock der frühen 1990er-Jahre geprägt. Dafür wendete sich die Band härteren und sperrigeren Sounds zu, die auch vor Metaleinflüssen und progressiven Sounds nicht zurückschrecken.
Spezifisch kanadischer Blick
In den vergangenen Jahren nahmen Propaghandi mit „Supporting Caste“(2009), „Failed States (2012) und „Victory Lap“(2017) unmissverständliche Statements auf, in denen sie nicht nur Kapitalismuskritik äußerten, sondern sich wie seit Beginn ihrer Karriere gegen Rassismus und Nationalismus, Sexismus und Homophobie starkmachen. Chris Hannah ist zudem überzeugter Veganer, wobei er Fleischessern nicht mit unbarmherzigem missionarischen Eifer gegenübersteht, sondern eher Massenhaltung und Lebensmittelindustrie kritisiert.
Spannend ist auch der spezifisch kanadische Blick, den Propaghandi haben. Denn während alle Welt dem Klischee vom stets freundlichen Mountie anhängt, ist doch auch Kanada ein Land, das ähnlich wie die USA ein großes Problem mit Rassismus gegenüber seinen Ureinwohnern hat. Premierminister Justin Trudeaus konservativer Vorgänger Stephen Harper erntete 2009 viel Spott für seine Bemerkung, Kanada habe ja keine Geschichte von Kolonialismus. Im selben Jahr illustrierten Popaghandi ihre Platte „Supporting Caste“mit Werken von Kent Monkman, einem Künstler der First Nations. In seinen Werken geht Monkman oft genau dieser gewalttätigen Geschichte nach, die auch Kanada hat.
Klar, dass Propaghandi vor allem in Trump-Zeiten nicht müde werden, ihre Fans zum Nachdenken und zum Hinterfragen anzuregen. Doch bei allem Pessismus schwingt auf der aktuellen Platte auch etwas Positives mit: Chris Hannah ist seit einigen Jahren Vater und hat Hoffnung, dass der Nachwuchs etwas intelligenter mit der Welt umgehen wird.
2. Mai, Club Vaudeville, Lindau. Beginn 20 Uhr, Einlass 19 Uhr. Karten gibt es via www.tickets.schwäbische.de
0751/2955 5777