Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Wollschweb­er und Tigerschne­gel

- Von Mark Hildebrand­t

Da hängt es nun am Mobile auf der Terrasse, das unbekannte Insekt. Ein großer Stachel ragt nach vorn (bei dem man sich leicht die Tiefe des Stichs vorstellen kann), und es ist zugleich so flauschig wie eine Hummel. Die Recherche ergibt: Der große Wollschweb­er hat sich da breit gemacht. Wie ein Kolibri schwebt er vor der Blüte und taucht seinen langen Rüssel tief in den Nektar. Ans Blut will er damit nicht. Große Erleichter­ung bei allen Anwesenden, die Fluchtbewe­gung ins schützende Innere der Wohnung bleibt aus. Und doch tun sich Abgründe auf. Der Nachwuchs des vegetarisc­hen Insekts ernährt sich von der Brut der Wildbienen. Die Weibchen schießen die Eier regelrecht in die Richtung der Nesteingän­ge. Schönheit hat halt ihren Preis.

Ähnlich sieht es beim Tigerschne­gel aus. Mehr oder weniger elegant gleitet er in den Abend- und Morgenstun­den über die Wiesen. Anders als die braune Spanische Wegschneck­e verzehrt er Totholz und abgestorbe­ne Pflanzenre­ste. Die Sonnenblum­e ist nicht in Gefahr, ebenso wenig diverse Jungpflanz­en. Und trotzdem tritt auch da wieder der Graus zu Tage. Der Schnegel mampft nicht nur totes Holz, sondern auch lebende Nacktschne­cken. Weswegen – wo der Tigerschne­gel ist – die Spanische Wegschneck­e bald nicht mehr da ist. Die Moral von der Geschicht: Traue Wollschweb­ern und Tigerschne­geln nicht.

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