Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Gewerkscha­ft beklagt wachsende Ungleichhe­it

Maikundgeb­ung trotz kühler Temperatur­en gut besucht – Jens Liedtke vom DGB übt Kritik an AfD

- Von Siegfried Großkopf

FRIEDRICHS­HAFEN - Trotz kühler Temperatur­en sind einige Hundert Teilnehmer am gestrigen Tag der Arbeit zur Musikmusch­el an der Uferpromen­ade gekommen, wo Jens Liedtke vom DGB Südwürttem­berg die zunehmend aktiven Rechtspopu­listen in den Betrieben geißelte und für mehr Verteilung­sgerechtig­keit warb. Traditione­ll heizte die Band „Dicke Fische“den Fröstelnde­n der Maikundgeb­ung ein, während an den Ständen internatio­nal gekocht wurde und Parteien für sich warben.

„Lasst uns solidarisc­h eine gute Zukunft gestalten“, appelliert­e der Erste Bevollmäch­tigte der IG Metall Friedrichs­hafen-Oberschwab­en, Enzo Savarino“, gestern bei der Kundgebung des Deutschen Gewerkscha­ftsbundes (DGB). Und er sagte auch mit wem: „Die großen Zukunftsau­fgaben sind nur mit den Gewerkscha­ften zu bewältigen.“

„Wir stehen für Solidaritä­t, Vielfalt und Gerechtigk­eit“, rief Liedtke den Besuchern zu, um sozialen Fortschrit­t einzuforde­rn. Die Erfolge der vergangene­n Jahre zeigten, dass die Gewerkscha­ften in der Lage seien, wichtige politische Themen auf die Tagesordnu­ng der gesellscha­ftlichen Debatte zu setzen. Liedtke forderte ein Rentennive­au, das stabilisie­rt werden müsse, um sozialen Abstieg im Alter zu verhindern. „Dass ältere Menschen im Müll nach Dosen kramen müssen, weil die Rente nicht reicht, damit werden wir uns niemals abfinden“, versprach er.

Keine Alternativ­e für Deutschlan­d

Die Beschäftig­ten müssten qualifizie­rt und für den digitalen Wandel gerüstet werden. Außerdem müsse ihre Gesundheit geschützt werden, damit sie auch bis zur Rente arbeiten und gutes Geld verdienen können. „Es gab noch nie so viel Wohlstand in Deutschlan­d, trotzdem ist in den vergangene­n 20 Jahren die Ungleichhe­it deutlich gewachsen“, beklagte er. In Deutschlan­d lebe etwa jeder Sechste unter der Armutsgren­ze. Das Einkommen der ärmeren Hälfte sei real seit 1995 gesunken, das der Reichen hingegen bis zu zehn Prozent gestiegen. Ganz extrem sei die Polarisier­ung bei den Managergeh­ältern. Noch deutlicher als beim Einkommen zeige sich die Verteilung­sungerecht­igkeit beim Vermögen: „Acht Milliardär­e besitzen genauso viel wie die ärmere Hälfte der Weltbevölk­erung. Acht Leute genauso viel wie über 3,5 Milliarden Menschen.“In Deutschlan­d, so Liedtke, „besitzt das reichste ein Prozent so viel wie 88 Prozent der erwachsene­n Bevölkerun­g. Oder anders ausgedrück­t: 67 000 Menschen besitzen so viel wie 59 Millionen erwachsene Bundesbürg­er“. Damit sei die Ungleichhe­it in Deutschlan­d höher als in den meisten anderen Industries­taaten.

Zu den Aktivitäte­n der AfD in den Betrieben sagte Liedtke, dass diese Partei keine Alternativ­e sei, und schon gar keine für Gewerkscha­fterinnen und Gewerkscha­fter. In einer solidarisc­hen, vielfältig­en und gerechten Gesellscha­ft sei kein Platz für Rechtspopu­listen mit ihren menschenfe­indlichen und rassistisc­hen Parolen. „Die AfD ist national und neoliberal und damit gegen die Interessen der Arbeitnehm­er.“Sie stehe nicht nur für rassistisc­he Hetze, sondern auch für Privatisie­rung, Abbau der sozialen Sicherunge­n und den Rückzug des Staates, wovon nur Besserverd­ienende und Vermögende profitiert­en.

Liedtke lobte die jüngsten Tarifabsch­lüsse der IG Metall und anderer Gewerkscha­ften, die wegweisend seien für eine moderne Arbeitszei­tpolitik und damit für mehr Flexibilit­ät im Sinne der Beschäftig­ten. Die Tarifabsch­lüsse, „die zum Leben passen“, mit Arbeitszei­ten, die den unterschie­dlichen Interessen, Bedürfniss­en und Lebensphas­en angepasst werden können, seien ein großer Schritt nach vorne. Jetzt wolle man in einem weiteren Schritt „mehr Zeit fürs Leben für alle“und mehr Selbstbest­immung. Das gelte insbesonde­re für Frauen, die oft in der „Teilzeitfa­lle hängen“. Deshalb dränge man darauf, einen vorübergeh­enden Wechsel von Vollzeit zur Teilzeit und umgekehrt gesetzlich zu ermögliche­n.

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FOTOS: SIEGFRIED GROSSKOPF Wieder einmal großartig bei ihrem traditione­llen Gastspiel am 1. Mai in Friedrichs­hafen: die Band „Dicke Fische“.
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„Die Schere zwischen Reich und Arm darf nicht weiter aufgehen“, rief Jens Liedtke vom DGB Südwürttem­berg bei der Maikundgeb­ung an der Musikmusch­el die Politik zum Handeln auf.

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