Schwäbische Zeitung (Tettnang)
„Das Wichtigste ist gegenseitige Rücksichtnahme“
Anwalt aus Tettnang erklärt, was Radfahrer im Straßenverkehr beachten müssen
TETTNANG - Frische Luft statt Klimaanlage, Muskel- statt Motorkraft. Im Frühling steigen viele vom Auto auf das Fahrrad um. Auch die Teilnehmer des Radsportprogramms „Move“sind mit ihren Rennrädern jetzt auf den Straßen in der Region unterwegs. Im Gespräch mit Corinna Konzett erklärt Hans Schöpf, Anwalt aus Tettnang, worauf Rad-, aber auch Autofahrer im Straßenverkehr achten müssen, um Unfälle zu vermeiden.
Herr Schöpf, beim Radsportprogramm „Move“sitzen viele Teilnehmer zum ersten Mal auf dem Rennrad. Was müssen unerfahrene Radfahrer im Straßenverkehr beachten?
Die wichtigste Regel ist gegenseitige Rücksichtnahme. Autofahrer, aber besonders Radler sollten sich klar verhalten, das heißt, so fahren, dass sich andere Verkehrsteilnehmer darauf einstellen können, was sie als nächstes tun.
Gibt es Sonderregeln für das Fahren in der Gruppe, wie bei „Move“?
Ja, die gibt es. Eine Gruppe ab 16 Personen ist ein Verband. Dieser darf immer auf der Straße fahren und gilt als ein Fahrzeug. Das ist zum Beispiel beim Einfahren in einen Kreisverkehr wichtig: Der erste Fahrer vergewissert sich, ob der Kreisverkehr frei ist und fährt ein. Dann dürfen ihm alle Radfahrer aus seiner Gruppe folgen, auch wenn zwischenzeitlich ein anderes Fahrzeug in den Kreisverkehr eingefahren ist. Das wissen viele Autofahrer nicht. Das Fahren im Verband ist für viele Anfänger zunächst ungewohnt. Deshalb ist es auch hier wichtig, sich klar zu verhalten und geschlossen zu fahren. Wenn einige Fahrer zurückfallen und eine Lücke entsteht, gilt die Gruppe nicht mehr als
Verband.
Viele Autofahrer ärgern sich darüber, wenn Radler auf der Straße unterwegs sind, obwohl es einen Radweg gibt. Müssen Radfahrer den Radweg benutzen?
Bei Wegen, die mit dem weißen Schild „Fahrrad frei“gekennzeichnet sind, ist es dem Radfahrer freigestellt, ob er den Weg benutzt oder nicht. Bei Wegen, die mit einem blauen Schild, auf dem ein weißes Fahrrad abgebildet ist, gekennzeichnet sind, gilt die Radwegbenutzungspflicht. Wie der Name schon sagt, muss der Radweg in diesem Fall benutzt werden. Aber auch hier gibt es Ausnahmen: Wenn die Benutzung dieses Radwegs unzumutbar ist, das heißt wenn dieser zum Beispiel voll mit Scherben ist, darf man auf die Straße ausweichen. Auch Verbände müssen den Radweg nicht benutzen und dürfen auf der Straße fahren.
Ein weiterer großer Streitpunkt: Dürfen Radler nebeneinander fahren oder nicht?
In diesem Punkt gibt es tatsächlich viele Diskussionen. Generell gilt: Fahrradfahrer sollen 80 Zentimeter Abstand zum rechten Fahrbahnrand halten. Wenn ein Autofahrer überholen möchte, muss er 1,5 Meter Abstand zum Radfahrer haben. Das heißt, Überholen geht nur ohne Gegenverkehr. Zu zweit nebeneinander fahren ist erlaubt, wenn dadurch kein anderer Verkehrsteilnehmer behindert wird. Das ist allerdings Auslegungssache. Radfahrer argumentieren oft, dass der Autofahrer zum Überholen sowieso auf die Gegenfahrbahn ausweichen muss, um den vorgeschriebenen Abstand einzuhalten, egal ob er einen oder zwei nebeneinander fahrende Radler überholt. Meiner Meinung nach müsste der Gesetzgeber in diesem Fall Klarheit schaffen. Für Gruppen ab 16 Fahrern gibt es wieder eine Sonderregel: Im Verband dürfen die Radler immer zu zweit nebeneinander fahren.