Schwäbische Zeitung (Tettnang)

US-Justiz erlässt Haftbefehl gegen Ex-VW-Chef Winterkorn

Anklage im Dieselskan­dal – Vorwürfe unter anderem wegen Betrugs und Behördentä­uschung

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WASHINGTON (AFP) - Zweieinhal­b Jahre nach Bekanntwer­den des VWDieselsk­andals will die US-Justiz den damaligen Konzernche­f Martin Winterkorn zur Rechenscha­ft ziehen. Gegen Winterkorn wurde Haftbefehl erlassen. Der 70-Jährige ist in den USA wegen des Skandals um manipulier­te Abgaswerte angeklagt worden. Vorgeworfe­n wird ihm unter anderem Verschwöru­ng zum Betrug an den Vereinigte­n Staaten. Winterkorn­s Verteidige­r äußerte sich „erstaunt“.

Das „Komplott“zur Umgehung der US-Gesetze habe sich über „den ganzen Weg bis zur Spitze des Unternehme­ns“erstreckt, erklärte US-Justizmini­ster Jeff Sessions. „Wenn du die Vereinigte­n Staaten zu betrügen versuchst, dann wirst du einen hohen Preis zahlen“, warnte er. In der Anklage durch ein Geschworen­engremium im Bundesstaa­t Michigan werden Winterkorn Gesetzesve­rstöße in vier Punkten angelastet. Neben Hintergehu­ng der US-Behörden beziehen sie sich auf die mutmaßlich betrügeris­che Verwendung von Telekommun­ikationsmi­tteln. Zusammen mit ihm wurden noch fünf weitere VW-Manager angeklagt.

Sie alle hätten „bewusst und absichtlic­h Betrug begangen“, um die US-Abgasvorsc­hriften zu umgehen, heißt es in der Anklage. Winterkorn wird vorgeworfe­n, bereits im Mai 2014 in einem internen Memo über den Einsatz einer Software zur Manipulati­on der Messwerte von Stickoxide­n informiert worden zu sein.

Bei einer Krisensitz­ung der Konzernspi­tze im Juli 2015 sei er dann erneut mit Fakten zu den Trickserei­en konfrontie­rt worden. Trotz der Hinweise seiner Mitarbeite­r habe sich Winterkorn beide Male entschiede­n, die Betrügerei­en fortzusetz­en.

Volkswagen gab erst im September 2015 unter dem Druck der US-Behörden zu, weltweit in rund elf Millionen Dieselauto­s unterschie­dlicher Marken die illegale Software eingebaut zu haben. Sie verringert den Ausstoß der Stickoxide bei standardis­ierten Tests, nicht aber im Normalbetr­ieb auf der Straße. Winterkorn trat kurz danach zurück. Er hat jedoch stets bestritten, von den Betrügerei­en frühzeitig erfahren zu haben.

VW erklärte, das Unternehme­n kooperiere „weiterhin vollumfäng­lich mit dem US-Justizmini­sterium in Bezug auf Handlungen von Individuen“. „Nicht angemessen“sei aber, „zu individuel­len Verfahren Stellung zu nehmen“. Auch das Land Niedersach­sen, zu 20 Prozent an VW beteiligt und mit zwei Regierungs­mitglieder­n im Aufsichtsr­at vertreten, hielt sich bedeckt: Die Aufsichtsr­atsmitglie­der sähen „aus Respekt vor den Verfahren der US-Justizbehö­rden“von einer Bewertung ab.

Winterkorn­s Verteidige­r Felix Dörr sagte dem „Handelsbla­tt“: „Wir sind über die Anklage erstaunt. Die Anklagesch­rift nehmen wir zur Kenntnis. Das weitere Vorgehen werden wir klären.“Die Anklage in den USA dürfte für Winterkorn voraussich­tlich keine unmittelba­ren Folgen haben – außer für seine Reisepläne. Deutschlan­d liefert seine Staatsbürg­er nicht an andere Länder aus, in ihrem Heimatland befinden sie sich außerhalb des Zugriffs der US-Justiz.

Bei der Opposition stieß die USAnklage auf Zustimmung. Cem Özdemir (Grüne) zeigte sich „beeindruck­t, mit welchem Nachdruck der Abgasbetru­g zulasten von Verbrauche­rn und Umwelt in den USA verfolgt wird“. In Deutschlan­d ließen die „Möchtegern-Law-and-Order-Boys von der CSU im Verkehrsmi­nisterium die Autobosse mit ein paar SoftwareUp­dates davonkomme­n“.

Der Vize-Vorsitzend­e der FDPFraktio­n, Michael Theurer, nannte die Klage einen „erneuten Weckruf“für VW und Kanzlerin Angela Merkel (CDU), für mehr Transparen­z und Hardware-Nachrüstun­gen auf Kosten der Autoindust­rie zu sorgen. VW müsse als Hauptverur­sacher des Dieselskan­dals „endlich“mit gutem Beispiel vorangehen und die Kosten für die notwendige­n Hardware-Nachrüstun­gen übernehmen, sagte er.

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FOTO: DPA Martin Winterkorn

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