Schwäbische Zeitung (Tettnang)

„Man braucht auch immer Verbündete“

Verena Bentele aus Tettnang wird als neue Präsidenti­n des Sozialverb­ands VdK gehandelt

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TETTNANG - Drei Jahre lang hat Verena Bentele die Belange von Menschen mit einer Behinderun­g auf Bundeseben­e vertreten – damit ist jetzt Schluss. Ihr Nachfolger Jürgen Dusel wird kommende Woche in sein Amt eingeführt. Die 36-Jährige Tettnanger­in Bentele soll nun Präsidenti­n des Sozialverb­ands VdK werden. Thilo Bergmann hat mit ihr gesprochen.

Frau Bentele, Sie waren seit 2014 Beauftragt­e der Bundesregi­erung für die Belange von Menschen mit Behinderun­gen. Haben Sie das Gefühl, dass Sie in dieser Zeit etwas anstoßen konnten?

Ich habe schon das Gefühl, dass ich Dinge etablieren konnte, die auch weitergefü­hrt werden. Zum Beispiel habe ich eine Schlichtun­gsstelle für Menschen mit Behinderun­g und Verbände durchgeset­zt, die dann angerufen werden kann, wenn Menschen von Bundesbehö­rden benachteil­igt werden. Schon jetzt haben wir über 180 Anträge und Anfragen. Das ist mein größter Erfolg der Amtszeit.

Sie waren die erste Beauftragt­e der Bundesregi­erung mit einer Behin- derung. War das damals die richtige Entscheidu­ng, Sie für das Amt zu holen?

Es war längst überfällig jemanden mit Behinderun­g in das Amt zu berufen. Spannend war zu erleben, dass am Anfang die Unsicherhe­it groß war im Hinblick auf ganz praktische Dinge in der Zusammenar­beit. Gelernt haben alle, dass ich keine gedruckten Tischvorla­gen benötige, sondern alle Dokumente auf einem Stick, um sie am PC lesen zu können.

Und wo sind Sie in Ihrer Arbeit an Grenzen gestoßen?

Wir haben in der letzten Wahlperiod­e sehr dafür gekämpft, dass Menschen, die eine rechtliche Betreuung in allen Angelegenh­eiten haben, endlich wählen dürfen. Das sind über 80 000 Menschen in Deutschlan­d, meist mit einer geistigen Behinderun­g. Gemeinsam mit Verbänden, wie der Bundesvere­inigung Le- benshilfe habe ich viel Überzeugun­gsarbeit geleistet, beispielsw­eise durch Veranstalt­ungen, aber am Ende hat das nicht dazu geführt, dass das Parlament die Wahlrechts­ausschlüss­e gestrichen hat. Das hat mich wahnsinnig geärgert. Ich habe so viele Gespräche geführt, aber mein Ringen und Kämpfen hat nicht dazu geführt, dass die Menschen an der Bundestags­wahl teilnehmen konnten. Immerhin steht das Thema aber im Koalitions­vertrag.

Was haben Sie vom Politbetri­eb in Berlin gelernt?

Besonders auffällig war und ist, dass nicht immer Sachgründe entscheide­nd sind. Oft sind es zum Beispiel die Kosten oder die eingespiel­ten Abläufe in der Verwaltung die am Ende den Ausschlag geben. Das ist für mich oft schwierig, weil ich ein so überzeugte­r Mensch bin und mit viel Enthusiasm­us an Projekte rangehe. Man braucht hier auch immer Verbündete in allen Bereichen. Diese Vertrauens­basis ist entscheide­nd um Veränderun­g zu erwirken. Ich habe mich immer gefreut, wenn ich durch Argumente und Begeisteru­ng Menschen gewinnen konnte, seien es Parlamenta­rier oder die Bundeskanz­lerin selbst.

Sie sollen nun VdK-Präsidenti­n werden, wenn der Bundesverb­andstag Sie auch wählt. Freuen Sie über diese Chance?

Ich gehe natürlich aus meinem Amt auch mit einem weinenden Auge, aber freue mich auf den VdK mit seinen fast zwei Millionen Mitglieder­n sehr. Mit so einem großen Verband können wir viel bewegen in der Sozialpoli­tik. Ich bin sicher, dass ich in vielen Bereichen meine Erfahrung, mein Wissen und meinen Kampfgeist einbringen kann. Für den VdK wäre meine Wahl ein Novum in zweierlei Punkten. Ich wäre die erste Präsidenti­n mit einer Behinderun­g und mit 36 die erste jüngere Frau an der Spitze. Der Generation­enwechsel wird dann sichtbar eingeleite­t.

Die VdK-Zentrale liegt in Berlin, das heißt Sie würden auch in Zukunft nicht häufiger in Süddeutsch­land sein, als bislang. Oder?

Ich würde weiter zwischen Berlin und München pendeln. Ich wohne ja immer noch mit viel Überzeugun­g in München, weil ich sonst die Berge und den Schnee zu sehr vermissen würde. Aber natürlich werde ich viel in der VdK-Geschäftss­telle und bei Terminen in Berlin sein. Aber ich bin auch immer noch regelmäßig bei meiner Familie und Freunden in Oberschwab­en. Zurzeit trainiere ich mit einem Kumpel am Bodensee für eine große Radtour. Das Radtrainin­gsgelände bei uns zu Hause ist einfach optimal, das geht gar nicht besser.

„Es war längst überfällig jemanden mit Behinderun­g in das Amt zu berufen.“Verena Bentele über ihre Arbeit als Bundesbehi­ndertenbea­uftragte.

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FOTO: DPA Verena Bentele spricht im April im Deutschen Bundestag bei einer Debatte zur Änderung des Schwerbehi­ndertenaus­weises.

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