Schwäbische Zeitung (Tettnang)

D „Ich kannte meine Pappenheim­er“

Schauspiel­er Uwe Kockisch über die neuen Folgen der DDR-Familiense­rie „Weissensee“, das turbulente Jahr 1990 und die Kluft zwischen West- und Ostdeutsch­en

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ie Mauer ist bereits gefallen, in der DDR gibt es die ersten freien Wahlen, die Wiedervere­inigung naht mit Riesenschr­itten: Im magischen Sommer 1990 überschlag­en sich die Ereignisse. Das geht auch an der OstBerline­r Familie Kupfer nicht spurlos vorbei, die im Zentrum der herausrage­nden Fernsehser­ie „Weissensee“steht, von der ab 8. Mai im Ersten neue Folgen zu sehen sind. TV-Star Uwe Kockisch spielt seit Beginn der Serie im Jahr 2010 das Familienob­erhaupt Hans Kupfer, einen hohen Stasioffiz­ier, der mehr und mehr am real existieren­den Sozialismu­s verzweifel­t. Martin Weber hat mit dem 74-jährigen ehemaligen DDR-Bürger unter anderem über seine Zeit im Zuchthaus gesprochen und warum es trotzdem mit der Karriere geklappt hat.

Herr Kockisch, die neuen Folgen von „Weissensee“spielen in der Wendezeit 1990. Sie waren damals DDR-Bürger. Welche Erinnerung­en haben Sie an diese Zeit?

Sehr gute, das war ja damals eine sehr energierei­che Phase, die alle angesteckt hat. Ich habe diese Zeit auch am Maxim-Gorki-Theater in Berlin, wo ich engagiert war, sehr intensiv erlebt. Wir haben damals das Stück „Die Übergangsg­esellschaf­t“von Volker Braun gespielt, das viel mit der Situation zu tun hatte. Draußen vor dem Theater standen manchmal doppelt so viele Leute wie reinkamen. Alle waren damals gespannt, wie es weitergeht.

Sie waren zu dieser Zeit ein renommiert­er Schauspiel­er in der DDR. Hat 1990 die Freude über die friedliche Revolution bei Ihnen überwogen, oder hatten Sie vielleicht auch Angst, etwas zu verlieren?

Die hatte ich nicht, weil ich kein Star oder so etwas war. Bei uns in der DDR war die Ensemblear­beit immer viel wichtiger, Star-Theater gab es bei uns nicht.

Sie saßen als Jugendlich­er wegen eines Fluchtvers­uchs mehr als ein halbes Jahr lang im Gefängnis.

Stimmt, das war allerdings nicht im Gefängnis, sondern im Zuchthaus. Ich habe aus dieser Zeit auch etwas Positives rausgeholt: Ich habe eine Menge an Menschenke­nntnis gewonnen, die mir später als Schauspiel­er zugutekam. Ich möchte diese Erfahrung nicht missen – das habe ich, als ich inhaftiert war, natürlich ganz anders gesehen. Heute sage ich: Gut, dass ich das erlebt habe.

Standen Sie danach auf einer schwarzen Liste?

Die versuchte Republikfl­ucht war natürlich in meiner Kaderakte vermerkt, wie das in der DDR hieß. Ich bin damit aber immer offensiv umgegangen und habe darüber gesprochen. Das hat mir als Schauspiel­er immer sehr geholfen. Ich habe am Theater große Rollen gespielt. Ich stand auf der Bühne und hatte mein Publikum, und von daher war es auch nicht so einfach, mich von der Bildfläche verschwind­en zu lassen. Viele Sachen habe ich auch einfach nicht so ernst genommen: Wenn man mir Angst machen wollte, habe ich nicht so reagiert, wie die wollten. Außerdem kannte ich meine Pappenheim­er, und das hat sich dann später, als ich meine Stasiakte gelesen habe, auch bestätigt.

Wie lief es nach der Wiedervere­inigung für Sie?

Prima. Ich blieb beim Gorki-Theater, habe aber auch als Gast an der Schaubühne in West-Berlin gespielt. Die haben mir gleich ein Angebot gemacht. Dann kamen Film und Fernsehen, damit kannte ich mich aus.

Berühmt wurden Sie dann als Commissari­o Brunetti in den Donna-Leon-Filmen. Der erste mit Ihnen lief 2003, und Sie sind nach wie vor dabei. Hätten Sie damals gedacht, dass das so ein Erfolg wird?

Überhaupt nicht, ich kannte die Reihe und auch die Bücher von Donna Leon nicht. Ich habe die Rolle eigentlich nur wegen meiner Mutter angenommen, die großer Fan der Krimis war. Das Angebot, den Brunetti zu spielen, kam telefonisc­h, als ich gerade bei ihr zu Besuch war. Sie hat sofort gesagt: „Das musst du machen!“

Wozu Mütter so gut sind ...

Allerdings – sie hat dann gleich den Bücherschr­ank aufgemacht und mir ihre Donna-Leon-Krimis gezeigt. Ich habe zwei mitgenomme­n und ihr versproche­n, mal reinzuguck­en. Ich mag den Brunetti und die TV-Reihe – auch wenn ich manchmal denke, da ist noch Luft nach oben.

Was gefällt Ihnen denn nicht so?

Wir verfilmen Romane, und da man die Bücher nicht eins zu eins ins Fernsehen übersetzen kann, versuchen wir natürlich, die Essenz der Geschichte­n auf den Bildschirm zu bringen – und das gelingt uns manchmal mehr und manchmal weniger.

Der liebenswer­te Brunetti ist ja ein ganz anderer Typ als der Stasioffiz­ier Hans Kupfer, den Sie in „Weissensee“spielen. Welcher Charakter bereitet Ihnen mehr Spaß?

Beide gleich, eben weil sie so unterschie­dlich sind.

Sie hatten in der DDR selbst mit Stasileute­n wie Kupfer zu tun. Wieviel konnten Sie sich bei der Ausgestalt­ung der Rolle abgucken?

Ich habe mich natürlich an viele Erlebnisse und die damit verbundene­n Emotionen erinnert, und diese Erinnerung­en haben mir schon geholfen. Kupfer bricht ja aus dem System aus und gehört gerade in den neuen Folgen zu denen, die dafür plädieren, die Stasiakten zu öffnen. Das macht ihn mir natürlich sympathisc­h.

Manche sagen, die Kluft zwischen West- und Ostdeutsch­en sei in jüngster Zeit wieder größer geworden. Empfinden Sie das auch so?

Es scheint diese Kluft tatsächlic­h zu geben. Ich weiß, dass es für uns alle schlecht wäre, wenn sich das verhärtet. Wichtig ist, dass niemand die Meinungsfr­eiheit anrührt, denn dann gibt es ganz schnell Probleme – auch mit dem sogenannte­n Ossi. Fehlende Meinungsfr­eiheit mögen wir nicht, weil wir das ja mal hatten.

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FOTO: ARD/FREDERIC BATIER „Ich war kein Star oder so etwas, bei uns in der DDR war die Ensemblear­beit immer viel wichtiger“, sagt Uwe Kockisch.

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