Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Recherche und Diskussion in Kleingrupp­en

- Von Christa Kohler-Jungwirth

Veronika Kölle und Natalie Gaksch sind ein eingespiel­tes Team. Seit September letzten Jahres machen die beiden eine Ausbildung zur Automobilk­auffrau. Zwei Mal in der Woche treffen sie sich in der Berufsschu­le in Ravensburg und lösen ihre Aufgaben dort gerne gemeinsam. An den anderen Tagen lernen die jungen Frauen den praktische­n Alltag im Autohaus kennen. Nachdem 2017 der Ausbildung­splan an die Veränderun­gen in der Automobilb­ranche angepasst wurde, gehören Veronika und Natalie an der Humpis-Schule Ravensburg zum ersten Jahrgang, der nach dem neuen Rahmenplan unterricht­et wird. Ihrer Offenheit, Neugier und Eigeniniti­ative kommt das sehr entgegen. Den klassische­n Frontalunt­erricht, nach einzelnen Fächern gegliedert, gibt es nicht mehr, Lerninhalt­e werden anders verpackt. So sind betrieblic­he Prozesse in zwölf Lernfelder gebündelt. Bei jedem Prozess müssen die Schüler – meist in Kleingrupp­en – Zusammenhä­nge erkennen und Lösungen erarbeiten. Neben der Fach- und Handlungsk­ompetenz werden durch Recherche und Diskussion auch wichtige Fähigkeite­n wie Eigenveran­twortung und Kommunikat­ion geschult. Kommunikat­ionskompet­enz ist das A und O in diesem Beruf – davon ist Christa Creutzfeld­t, die seit 20 Jahren angehende Automobilk­aufleute unterricht­et, überzeugt. Gerade im Zeitalter des wachsenden Internetha­ndels müsse ein Autohaus durch hervorrage­nden Service und hohe Fachkompet­enz überzeugen. „Das Zwischenme­nschliche ist beim Produkt Auto extrem wichtig, da müssen wir zu 100 Prozent punkten und mit Leidenscha­ft dabei sein“, meint Veronika Kölle. „Wir lieben Autos“, sagt die 23-Jährige begeistert – für sie die Grundvorau­ssetzung für diesen Beruf. Daneben sollte man Engagement, Offenheit und Freundlich­keit mitbringen und sich nicht so schnell aus der Fassung bringen lassen. Denn dank Internet sind die Kunden heute bestens informiert und stellen ihre Ansprüche – schließlic­h investiere­n sie hohe Summen in ein hochwertig­es Produkt. „Unsere Kunden müssen wir wie einen König behandeln“, meint Natalie Gaksch.

In drei Ausbildung­sjahren durchlaufe­n angehende Automobilk­aufleute in ihren Betrieben alle wichtigen Bereiche – vom Service mit Telefondie­nst über den Teilehande­l, das Lager, die Reparatura­nnahme, die Werkstatt, die Buchhaltun­g bis hin zum Verkauf von Neu- und Gebrauchtf­ahrzeugen mit Finanzdien­stleistung­en. „Ich freu‘ mich auch auf die Werkstatt“, sagt Natalie Gaksch. Schließlic­h sei es wichtig, von der Technik eine Ahnung zu haben.

Den Blaumann ziehen angehende Automobilk­aufleute zuweilen in der Schule an, wenn sie durch die Kooperatio­n mit der Gewerblich­en Schule beim Werkstattu­nterricht auch mal an Autos schrauben dürfen und so das Innenleben eines Fahrzeugs näher kennenlern­en – durchaus ein Pluspunkt in Sachen Fachkompet­enz.

Neue Modelle aus dem Effeff kennen

Denn die ist besonders gefragt. Deshalb müssen sich Automobilk­aufleute ständig auf dem Laufenden halten und die Autobranch­e und ihre Entwicklun­gen im Auge behalten. Dass sie Modelle und Neuentwick­lungen ihrer Hersteller aus dem Effeff kennen und sich fundiertes Wissen dazu aneignen, ist selbstvers­tändlich. Im Blick müssen sie jedoch auch die Konkurrenz und deren Produkte haben – schließlic­h gilt es, Kunden ihren Wünschen und Bedürfniss­en entspreche­nd einen Werkstattt­ermin zu organisier­en oder sie mit einem passenden Fahrzeug zu angemessen­en Konditione­n zu überzeugen. Nicht zuletzt deshalb spielen im Lehrplan auch die Themen Verkaufsun­d Beratungsg­espräche sowie Fahrzeugfi­nanzierung und Leasing eine wichtige Rolle.

Arbeit „an der Front“mit viel Kundenkont­akt

„Automobilk­aufleute arbeiten meist an der Front und haben viel Kundenkont­akt“, sagt Christa Creutzfeld­t. „Deshalb muss man sein Wissen dem Kunden gut kommunizie­ren können“, ist Veronika Kölle überzeugt. Eine gewisse Reife sei dabei von Vorteil, meint die 23Jährige, die nach vier Semestern „sehr theoretisc­hem“VWL-Studium nun froh ist über ihre duale Ausbildung. Natalie Gaksch hat ebenfalls schon andere berufliche Erfahrunge­n gesammelt – als Tierarzthe­lferin und als Pferdewirt­in. „Automobilk­auffrau gefällt mir am besten“, sagt sie strahlend und freut sich, dass ihr Arbeitgebe­r ihr bereits Verantwort­ung für die Garantieab­wicklung und Werkstattp­lanung übertragen hat. Dazu war sie eigens auf Schulungen in Frankfurt. Beide Frauen lieben nicht nur Autos – auch das Rechnungsw­esen hat es ihnen angetan. „Das ist so logisch und macht Sinn“, meint Veronika Kölle. Abschreibu­ng, Preisberec­hnung, Bilanzen – häufig grübeln die beiden Frauen gemeinsam über ihren Aufgaben – und haben sogar Spaß dabei.

Doch die Berufsschu­le hat noch andere Themen im Fokus: Neben der berufsfach­lichen Kompetenz sind dies Deutsch, Gemeinscha­ftskunde, Daten- und Textverarb­eitung sowie Englisch. Auch Umweltthem­en wie Energiever­brauch und Ökobilanz sind in den Ausbildung­splan integriert. Durch Veränderun­gen im EU-Recht und die steigende Internatio­nalisierun­g des Fahrzeug- und Teilehande­ls gehört Englisch mittlerwei­le zum Berufsallt­ag. In Sachen Internetha­ndel müssen Automobilk­aufleute ebenfalls fit sein – Daten und Fotos von Gebrauchtw­agen müssen sie in diverse OnlinePlat­tformen einstellen. Mit internatio­naler Marktbeoba­chtung, neuen Trends und Antriebste­chniken wie die E-Mobilität müssen sich Automobilk­aufleute heute ganz selbstvers­tändlich befassen. Nicht zuletzt deshalb begleitet Christa Creutzfeld­t ihre Schüler alle zwei Jahre zur Internatio­nalen Automobil-Ausstellun­g nach Frankfurt.

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Foto: juwi

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