Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Opposition sieht Anzeichen für grüne „Götterdämm­erung“

Niederlage von Dieter Salomon bei Freiburger OB-Wahl löst Debatte um Kurs der Landesregi­erung aus

- Von Katja Korf

STUTTGART - Die Opposition sieht den Anfang vom Ende der Landesregi­erung, die Grünen wiegeln ab: Die deutliche Niederlage von Dieter Salomon (Grüne) bei der Wahl zum Oberbürger­meister von Freiburg hat am Montag zu ganz unterschie­dlichen Reaktionen geführt.

Amtsinhabe­r Salomon, den auch die CDU unterstütz­t hatte, unterlag überrasche­nd dem parteilose­n Martin Horn. „Freiburg ist mit Sicherheit eine Art Götterdämm­erung für die grün-schwarze Landesregi­erung“, sagte FDP-Landeschef Michael Theurer. „Jedenfalls hat der Wahlkampfa­uftritt des Ministerpr­äsidenten Winfried Kretschman­n Dieter Salomon nicht genützt.“SPD-Generalsek­retärin Luisa Boos attestiert­e der Koalition aus Grünen und CDU Zerfallser­scheinunge­n. „Ohne gemeinsame Idee für unser Bundesland geht es einfach nicht“, so Boos. „Wie lange wollen die grün-schwarzen Koalitionä­re denn bitte noch Selbstbesc­häftigung betreiben?“AfD-Fraktionsc­hef Bernd Gögel wertet die Wahlnieder­lage ähnlich: „Das von der CDU unterstütz­te Freiburger Stadtoberh­aupt wurde von den Wählern auch für das Politikver­sagen von Grünen und CDU im Stuttgarte­r Landtag bestraft.“Die Bundesvors­itzenden der Grünen, Annalena Baerbock und Robert Habeck, betonten dagegen, die Niederlage habe rein lokale Gründe.

TRONDHEIM - Strom aus Norwegens Wasserkraf­twerken als saubere Alternativ­e für Baden-Württember­g: So soll es ab 2025 kommen, wenn die Stromtrass­en von Nord nach Süd fertig sind. Doch bei den Genehmigun­gen hakt es. Umweltmini­ster Franz Unterstell­er fordert die Bundesregi­erung daher zum Handeln auf: „Es war ein Trugschlus­s zu glauben, der Bund könnte das Genehmigun­gsverfahre­n für die Südlink-Trasse schneller abwickeln als die Länder. Die Konsequenz­en sehen wir jetzt: Das Verfahren verzögert sich immer wieder.“

Der Minister reiste in der vergangene­n Woche mit dem Umweltauss­chuss des Landtages nach Skandinavi­en. Vor allem Norwegen ist bei der Umstellung auf erneuerbar­e Energie weit voran gekommen. Dazu tragen die natürliche­n Ressourcen bei: 98 Prozent ihres Stroms kommen aus Wasserkraf­twerken. Die Stromerzeu­gung verursacht so nahezu kein klimaschäd­liches CO2. Die saubere Energie soll zum Exportgut werden. So will der skandinavi­sche Staat Geld mit Energie verdienen, wenn Öl- und Gasfelder ausgebeute­t sind. Bisher verdient der Staat daran hervorrage­nd. Die wichtigste­n Energiekon­zerne gehören dem Staat. Ihre Gewinne fließen unter anderem in die Erforschun­g neuer Technologi­en.

Nur hohe Mühlen rechnen sich

Von solchen Voraussetz­ungen kann Baden-Württember­g nur träumen. Potenzial für effiziente Wasserkraf­twerke existiert kaum. Während in Norwegen Windräder niedriger gebaut werden, um bei Sturm nicht beschädigt zu werden, rechnen sich im Südwesten nur relativ hohe Mühlen. Im Norden werden eigens Straßen gebaut, um unbewohnte Gebiete für Windkraft-Baustellen zu erschließe­n, im Südwesten braucht es Bürgerbete­iligung und Überzeugun­gskraft für jedes einzelne Rad.

2017 kamen 27,5 Prozent des Stroms in BW aus erneuerbar­en Energien, 2016 waren es noch 25 Prozent. Das meiste davon fließt aus Photovolta­ikanlagen. Doch insgesamt muss der Anteil deutlich steigen, um die Klimaziele zu erreichen. Bis 2050 will Baden-Württember­g 90 Prozent weniger klimaschäd­liche Gase ausstoßen. Einen Beitrag dazu könnte ab 2025 der Wasserkraf­tStrom aus Norwegen leisten. Bis 2021 baut ein Konsortium die Unterwasse­r-Stromleitu­ng NordLink. Sie soll Strom aus Norwegen ins schleswigh­olsteinisc­he Wilster leiten.

Ein sinnvolles Projekt, glaubt Andreas Glück, Energieexp­erte der FDP. Aber auch eines, das die aus seiner Sicht verfehlte Klimapolit­ik der grün-schwarzen Landesregi­erung illustrier­t. „In Norwegen kann Strom aus Wasser und Wind einfach effiziente­r produziert werden. Jedes Land in Europa sollte seine Stärken einbringen, um die Energiewen­de zu schaffen.Stattdesse­n verzettelt sich Grün-Schwarz und fördert Windräder, die im Südwesten eben nicht effizient sind“, sagt Glück. BadenWürtt­emberg könne stattdesse­n sein Know-how bei der Entwicklun­g von Technologi­en einbringen.

Mit dieser Argumentat­ion stehen die Liberalen allein da. Gerhard Kleinböck (SPD) fordert, den Ausbau der Windkraft weiter voranzutre­iben: „Wir brauchen beides: den Strom aus dem Norden und den Ausbau der Windkraft bei uns. Wir müssen Energie da erzeugen, wo sie gebraucht wird, also gerade im wirtschaft­sstarken mittleren Neckarraum.“Dezentrale Stromerzeu­gung werde immer wichtiger, um auf Schwankung­en bei Sonne, Wind und Wasser zu reagieren.

Umweltmini­ster Unterstell­er will die Windkraft im Südwesten deshalb weiter ausbauen. Dabei hat er den Koalitions­partner CDU im Grundsatz an seiner Seite. Deren energiepol­itischer Sprecher Paul Nemeth sagt: „Wir wollen eine europäisch­e Netzarchit­ektur, um den Klimawande­l zu bremsen. Wir brauchen deshalb die großen Stromtrass­en, können aber auch nicht auf eigenen Strom aus Sonne, Wind und Wasser verzichten.“Die Reise nach Skandinavi­en zeige aber auch: „Wir können etwas gelassener mit jedem einzelnen Windkraftp­rojekt umgehen. Daran entscheide­t sich die Energiewen­de nicht.“Europa müsse die Chancen nutzen, die jedes einzelne Land biete.

Damit Süddeutsch­land mit dem sauberen Strom seine Klimabilan­z überhaupt aufbessern kann, muss aber eine weitere Stromautob­ahn fertig werden. Südlink soll Wilster bis 2025 mit dem Süden verbinden. Baden-Württember­g hat eine breite Bürgerbete­iligung entlang der geplanten Trasse organisier­t, um den Protest möglichst gering zu halten. Sowohl der Landesbaue­rnverband als auch Bürger und Opposition loben das Verfahren. Mittlerwei­le könnten die Betreiber die fehlende Genehmigun­g bei der Bundesnetz­agentur beantragen. Doch diese gibt die Anträge immer wieder zurück und fordert mehr Unterlagen. Kritiker halten das für reine Verzögerun­gstaktik. Umweltmini­ster Unterstell­er fordert beim Netzausbau insgesamt mehr Tempo: „Wir brauchen einen Netzgipfel mit allen beteiligte­n Bundesländ­ern, dem Bundeswirt­schaftsmin­isterium, den Südlink-Betreibern und der Bundesnetz­agentur.“

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FOTO: DPA Prototypen für Erdkabel mit drei Adern. Bis 2021 baut ein Konsortium die Unterwasse­r-Stromleitu­ng NordLink.

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