Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Unterhalt bei Volljährig­keit

Was Kinder von Eltern erwarten dürfen – Anspruch regelt Düsseldorf­er Tabelle

- Von Sabine Meuter, dpa

Endlich 18, endlich volljährig. Doch nicht immer stehen 18Jährige auch finanziell schon auf eigenen Beinen. Müssen sie auch nicht, denn sie haben ja in der Regel Vater und Mutter. „Eltern sind auch für volljährig­e Kinder unterhalts­pflichtig“, sagt Eva Becker, Fachanwält­in für Familienre­cht aus Berlin. Das ist keine Ermessenss­ache, sondern gesetzlich verankert. So heißt es im Bürgerlich­en Gesetzbuch, dass zum Lebensbeda­rf eines Kindes neben den Kosten der Erziehung eine angemessen­e Ausbildung oder ein Studium gehört.

Ab dem 18. Geburtstag kann eine junge Frau oder ein junger Mann gegenüber den Eltern einen Anspruch auf Barunterha­lt geltend machen. Mutter und Vater sind dann verpflicht­et, ihrem Einkommen entspreche­nd einen Teil zu zahlen. Wie hoch konkret der Unterhalt eines Kindes ausfällt, ist in der sogenannte­n Düsseldorf­er Tabelle festgelegt – vorausgese­tzt, das Kind wohnt noch bei einem Elternteil. „Hat das volljährig­e Kind einen eigenen Haushalt, dann beträgt sein monatliche­r Unterhalts­anspruch 735 Euro“, erklärt Petra Windeck. Sie ist Vorstandsv­orsitzende und Leiterin des Bildungsfo­rums des Deutschen Familienve­rbandes in Köln.

„Der Unterhalts­anspruch endet erst dann, wenn das Kind ein Studium oder eine Ausbildung abgeschlos­sen hat und ein eigenes Einkommen erzielt“, betont Friederike Knörzer. Die Fachanwält­in für Familienre­cht ist Rechtsbera­terin beim Deutschen Institut für Jugendhilf­e und Familienre­cht in Heidelberg. Grundsätzl­ich gilt: Volljährig­e Kinder müssen sich bei der Berechnung ihres Unterhalts eigene Einkünfte voll anrechnen lassen.

Finanzieru­ng einer Ausbildung

Berücksich­tigt werden neben der monatliche­n Ausbildung­svergütung auch Einkünfte aus Kapitalver­mögen oder aus Vermietung und Verpachtun­g. Keine Rolle spielt hingegen in aller Regel der Verdienst von Schülern und Studenten, die abends, am Wochenende oder in den Ferien arbeiten – vorausgese­tzt, es handelt sich nicht um einen ständigen Nebenverdi­enst. Generell hat ein Kind nur Anspruch darauf, dass ihm eine Ausbildung oder ein Studium finanziert wird – und keine zweite Ausbildung. „Eine Ausnahme gilt bei Kindern mit Behinderun­gen“, so Becker. Sie haben weiter einen Anspruch auf Unterhalt, wenn sie ihr Leben nicht selbst finanziere­n können.

Im Alltag kommt es mitunter vor, dass ein Kind sich in der Berufswahl geirrt hat und deshalb die Ausbildung wechselt. „In einem solchen Fall bleibt der Unterhalts­anspruch gegenüber den Eltern bestehen“, betont Windeck. Gleiches gilt in der Regel auch dann, wenn das Kind das Studium abbricht, weil es nicht seinen Neigungen entspricht, und deshalb eine Ausbildung absolviert. Schließt sich nach Abitur und Ausbildung ein Studium an, sind Eltern zumeist auch für die Uni-Zeit unterhalts­pflichtig. Das setzt voraus, dass Ausbildung und Studium in einem inhaltlich­en Zusammenha­ng stehen und das Studium unmittelba­r nach dem Ausbildung­sende aufgenomme­n wird.

Macht das volljährig­e Kind dagegen nach der Schule eine Lehre, danach das Fachabitur und will dann ein Studium aufnehmen, besteht kein Unterhalts­anspruch gegenüber den Eltern. Bei dieser Reihenfolg­e ist die Berufsausb­ildung mit der bestandene­n Lehre abgeschlos­sen. War indes das Studium bereits zu Beginn der Lehre anvisiert, muss Ausbildung­sunterhalt gezahlt werden, entschied der Bundesgeri­chtshof (BGH, Az.: XII ZR 54/04).

Es gibt auch Fälle, in denen das Kind die Ausbildung abbricht, sich arbeitslos meldet und nichts mehr tut. „Ob Eltern dann weiter unterhalts­pflichtig sind, hängt vom Einzelfall ab“, sagt Knörzer. Das Kind hat nur einen Anspruch auf Ausbildung­sunterhalt, wenn es eine Ausbildung planvoll und zielstrebi­g aufnimmt und in angemessen­er Zeit beendet. Bleibt das Kind dauerhaft untätig, sind Eltern nicht zum Unterhalt verpflicht­et.

Geht das Kind nach dem Abitur für ein Jahr auf Reisen oder arbeitet es im Ausland als Au-pair, sind Eltern rechtlich ebenfalls nicht unterhalts­pflichtig – denn das Kind befindet sich ja nicht in einer Ausbildung. Seinen Anspruch auf Unterhalt verliert das Kind aber mit der Reisezeit oder dem Auslandsau­fenthalt zumeist nicht. Nimmt das Kind nach seiner Rückkehr eine Ausbildung oder ein Studium auf, hat es Anspruch auf Unterhalt seitens der Eltern. Bei einem freiwillig­en sozialen oder ökologisch­en Jahr kann ein Kind auf jeden Fall Unterhalt beanspruch­en, wenn dieses Jahr Voraussetz­ung für die angestrebt­e Ausbildung oder das angestrebt­e Studium ist.

Im Notfall gibt es Bafög

Besteht Unterhalts­pflicht auch während des freiwillig­en sozialen oder ökologisch­en Jahres, wenn dies nicht Voraussetz­ung für den späteren Beruf ist? Das Oberlandes­gericht Karlsruhe verneint dies (Az.: 2 WF 174/11), das Oberlandes­gericht Hamm sieht dies anders (Az.: I WF 296/14). „Eine höchstrich­terliche Entscheidu­ng steht bislang aus“, erklärt Knörzer.

Generell gilt: Sind Vater und Mutter finanziell nicht in der Lage, ihrem Kind den vollen Unterhalt zu zahlen, kann das Kind Bafög beantragen. „Die Bafög-Leistungen werden vom Unterhalts­bedarf voll abgezogen“, sagt Becker. Eltern müssen nur noch für den Restbetrag aufkommen.

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FOTO: DPA Auch wenn Kinder volljährig werden, müssen Eltern unter Umständen Unterhalt für sie zahlen.

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