Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Häfler will Stammtisch für Querschnittsgelähmte gründen
„Wir haben ein Recht auf Mobilität, Assistenz und Barrierefreiheit“– Erstes Treffen am 9. Mai im Fischerstüble
FRIEDRICHSHAFEN - Mit einer Behinderung leben zu müssen, ist eine traurige Tatsache, an der man nichts ändern kann. Trotzdem dafür zu kämpfen, möglichst selbstbestimmt leben und sich mit Menschen, die ein ähnliches Schicksal haben, austauschen zu können, das ist die andere Seite. Dazu braucht es aber auch Mut und Entschlossenheit. Eigenschaften, über die Oliver Straub verfügt. Im Rahmen der bundesweiten „Fördergemeinschaft der Querschnittsgelähmten“(FGQ) will er jetzt in Friedrichshafen einen regionalen Stammtisch für Menschen gründen, die wie er querschnittsgelähmt sind.
Seit einem Badeunfall im Sommer 2003 und einem Bruch des Halswirbels ist der mittlerweile 35-jährige Häfler komplett querschnittsgelähmt. Sein Leben wurde von einem Moment auf den anderen komplett umgekrempelt. Lange Krankenhausaufenthalte, Reha, Unfähigkeit, seinem erlernten Beruf als Maurer jemals wieder nachgehen zu können, der Verlust vieler Sozialkontakte, und vor allem das Angewiesen sein auf die ständige Hilfe und Unterstützung anderer – damit galt es, erst einmal fertig zu werden.
Selbstbestimmtes Leben in möglichst vielen Situationen
2008 betrat Oliver Straub Neuland, als die gesetzliche Grundlage geschaffen wurde, ein „persönliches Budget“in Anspruch zu nehmen, seinen Rund-um-die-Uhr-Assistenzbedarf eigenverantwortlich und selbstverwaltet zu organisieren und dadurch auch die Chance zu erhalten, vom Elternhaus in eigene vier Wände zu ziehen. Auch anderen Leuten in vergleichbaren Situationen zu zeigen, dass selbstbestimmtes Leben in bestimmtem Rahmen möglich ist, dieses Anliegen liegt Straub am Herzen. Er ist als Berater der FGQ ausgebildet, er ist auch Vorsitzender des im vergangenen Jahr gegründeten Vereins „Selios“, dessen Namen sich aus „Selbstbestimmt leben in Oberschwaben“ableitet.
„Der Stammtisch ist eine gute Idee“, sagt Freddy Pfleiderer. „Als Betroffener nehme ich selbstverständlich teil“, fügt er hinzu. „Und ganz sicher kann ich viele Anregungen für meine Arbeit als städtischer Behindertenbeauftragter mitnehmen.“Kennengelernt haben sich Oliver Straub und Freddy Pfleiderer schon vor 15 Jahren, als sie gemeinsam in gleichen Zimmer der RKUUniversitätsund Rehabilitationskliniken Ulm gelegen sind. Auch Pfleiderer hat eine – wenn auch „inkomplette“– Querschnittslähmung, die er damals bei einem Autounfall erlitten hat.
Seit zehn Jahren gibt es bereits einen „Querschnitts-Stammtisch“– allerdings in Ulm. Diesen hat auch Oliver Straub schon oft besucht. Aber ist das weit weg, erfordert einen hohen logistischen Aufwand. Dass es jetzt wirklich höchste Zeit ist, in Friedrichshafen solch eine Gruppe zu gründen, und dass gerade auch in der Region genügend Interesse von Betroffenen dafür vorhanden ist, davon ist er überzeugt. Anfragen hat er bereits aus Friedrichshafen, aber auch aus Salem oder Leutkirch.
„Es gibt mit Sicherheit reichlich Gesprächsstoff, über den man sich bei einem Stammtisch in ungezwungener Atmosphäre austauschen kann“, sagt Straub. „Viele Themen kommen bei den meist medizinisch dominierten Gesprächen mit den Ärzten einfach zu kurz oder werden gar nicht angesprochen.“Hilfsmittel – welche gibt es? Wie kommt man an sie ran? Wie sieht es mit dem persönlichen Budget aus? Warum gibt es bisher keine zufriedenstellende Kilometer-Pauschale für Menschen, die auf ein „Rolli-Taxi“angewiesen sind? Über vieles gilt es, sich auszutauschen. „Und einer, der schon länger im Rollstuhl sitzt, ist schließlich der beste Informant“, sind sich Straub und Pfleiderer einig.
„Wir sind keine Bittsteller. Wir haben ein Recht auf Mobilität, Assistenz und Barrierefreiheit“, so Straub weiter.
Zum ersten „regionalen Querschnitts-Stammtisch der Fördergemeinschaft der Querschnittsgelähmten“wird am Mittwoch, 9. Mai, um 18.30 Uhr, ins Fischerstüble (Nähe Rotachmündung) eingeladen. Kontakt und weitere Informationen gibt es bei Oliver Straub per E-Mail:
s.oliver04@web.de