Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Iran-Strafen treffen Europas Wirtschaft
Juristisch gibt es keine Möglichkeit, Unternehmen gegen die US-Maßnahmen zu schützen
Von Georg Ismar und Farshid Motahari BERLIN/TEHERAN (dpa) - US-Präsident Donald Trump startet einen Alleingang nach dem anderen – erst Strafzölle, nun neue Sanktionen gegen Iran. Der Kollateralschaden für die westlichen Partner scheint ihn nicht sonderlich zu interessieren. Die Folgen des Abschieds vom IranAtomabkommen sind jedenfalls immens, es droht ein Dominoeffekt. Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Thema.
Warum können die US-Sanktionen ● auch europäische Unternehmen treffen?
„So wie wir die Sanktionen lesen, haben wir im US-Sanktionsrecht keinen Altbestandsschutz“, sagt der Vize-Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Volker Treier. Will heißen: Auch bestehende Geschäfte, zum Beispiel der Bau einer Maschinenfabrik, können nicht fortgeführt werden. Nach dem Erlass von Sanktionen bleibt eine Frist von maximal 180 Tagen, um die Geschäfte abzuwickeln. Sonst drohen den Unternehmen Strafen für ihre Geschäfte in den USA und/oder US-Firmen müssen ihre Aktivitäten mit den Unternehmen beenden. Obwohl die Firmen im Einklang mit europäischem Recht Geschäfte machen, trifft sie also der lange Arm des über die Landesgrenzen hinaus geltenden US-Sanktionsrechts.
Kann die Bundesregierung etwas ● dagegen tun?
Nein. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) sagte, es gebe juristisch keine Möglichkeit, deutsche Unternehmen gegen die USMaßnahmen zu schützen oder davon auszunehmen. „Das ist ein enormes Damoklesschwert“, mahnt DIHKExperte Treier. Der neue US-Botschafter Richard Grenell fordert schon, Investitionen in Iran zurückzufahren.
Wie groß sind die Iran-Geschäfte bisher?
Das Abkommen trat Anfang 2016 in Kraft. Im Gegenzug zum Verzicht auf das Streben nach einer Atombombe und Kontrolle der Uran-Anreicherung wurden die Iran-Sanktionen der USA und der EU weitgehend aufgehoben. Der Flugzeugbauer Airbus hatte Ende 2016 mit IranAir einen Großauftrag über 98 Verkehrsflugzeuge abgeschlossen. Davon wurde eines bisher direkt ausgeliefert, sagte ein Sprecher. Im Orderbuch des Unternehmens verblieben also 97 Maschinen – Airbus prüft, ob das Geschäft nun gefährdet ist. Die deutschen Ausfuhren in das islamische Land stiegen dem Außenhandelsverband BGA zufolge von 2,9 Milliarden Euro (2016) auf 3,4 Milliarden Euro 2017. An der Spitze lagen Maschinen, chemische Erzeugnisse, Datenverarbeitungsgeräte, Kraftwagen und Kraftwagenteile. Aber insgesamt ist das Niveau bisher überschaubar geblieben – auch weil es für Firmen einen Haken gibt.
Was ist die größte Hürde?
Die Finanzierung und Absicherung der Geschäfte. Das Ganze sei viel langsamer als gedacht angelaufen, weil zunächst weiter ein Teil von USSanktionen in Kraft war – den Finanzsektor betreffend. „Das hat die Finanzierung enorm erschwert“, erklärt Friedolin Strack, Abteilungsleiter Internationale Märkte im Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI). Spezielle Nachweispflichten, das Risiko bei einer Finanzierung wiederum mit US-Sanktionen zu belegt werden, ließen die Banken auf die Bremse treten. Das dürfte nun erst recht so bleiben.
Also viel Wirbel um fast nichts?
Das kann man so sehen. Es gab erst große Pläne, Spitzenpolitiker aus Europa reisten in das Land. Beispiel Volkswagen: Mehr als 17 Jahre war der Autobauer nicht in Iran aktiv. Nun sollte eine Partnerschaft mit dem örtlichen Importeur Mammut Khodro die Marke zurückbringen. Auf dem Papier war alles geregelt, in der Praxis ging wenig voran. Allerdings wird ein Aspekt ohnehin in Sachen Iran gern verschwiegen: Es handelt sich um eine Diktatur – und die ethische Komponente dieser Geschäfte verblasst derzeit hinter der Kritik an Trump, der Iran nicht traut und daher bestrafen will. Aber klar ist auch: Bei einem Regimewechsel hätten vor allem US-Firmen den Fuß in der Tür.
Droht denn jetzt ein Dominoeffekt?
Es fing an mit Strafzöllen auf Waschmaschinen und Solarmodule aus China, dann auf Stahl und Aluminium, dann neue Sanktionen gegen Russland, jetzt die Wiedereinführung der Iran-Sanktionen. Unternehmen sind verunsichert – wer weltweit agiert, braucht verlässliche Regeln. Trumps Strafmaßnahmen kommen zur Unzeit. Der DIHK rechnet mit einem Plus bei der Weltwirtschaftsleistung von vier Prozent in diesem Jahr – deutsche Unternehmen beschäftigen 7,4 Millionen Menschen im Ausland, 200 000 zusätzliche Jobs sollen 2018 entstehen, davon allein 40 000 in den USA. Denn während Trump den Handel mit Ländern wie Iran, China und Russland über das US-Sanktionsrecht und Strafzölle torpediert, kann er dank seiner Unternehmenssteuerreform daheim auf einen satten Aufschwung setzen. Dann könnte er sich als „Dealmaker“feiern lassen.