Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Eine Wanderung auf Walsers Spuren
Gattnau – Poppis – Kümmertsweiler – Krummensteg – Antoniuskapelle – Arensweiler – Gattnau
GATTNAU
- In Gattnau startet eine kurzweilige Rundwanderung durch das hügelige Hinterland des Bodensees mit herrlichen Ausblicken. Sie führt an Orte, die in Martin Walsers reichhaltigem Werk eine Rolle spielen. Wer sich dafür interessiert, sei auf den 2017 zu Walsers 90. Geburtstag erschienenen Band „Nirgends wäre ich lieber als hier – Mit Martin Walser unterwegs am Bodensee“von Lorenz L. Göser und Elmar L. Kuhn (Verlag weissbooks.w) verwiesen, der zu den betreffenden Orten die passenden Zitate bereithält.
Die Wanderung führt meist auf geteerten Landwirtschaftswegen, aber auch auf Wiesen- und Waldwegen bis zur Antoniuskapelle, einem der bekanntesten Aussichtspunkte am östlichen Bodensee.
Wenige Meter hinter dem Gasthaus Forst biegen wir links in den sogenannten Wiesenweg und wandern auf dem Teersträßchen eben am Hang entlang nach Osten bis kurz vor Arensweiler, wo es links aufwärts zum Weiler Poppis geht. Obstgärten ziehen sich links und rechts an den leichten Hügeln entlang. In Poppis wandern wir rechts weiter auf eine Brücke über die stark befahrene Bundesstraße 31. Einige hundert Meter hinter der Brücke ist die Ortschaft Kümmertsweiler erreicht mit dem urigen Landgasthof „Zur frohen Aussicht“. Vom Dorfende führt der Weg rechts in südlicher Richtung abwärts. Links fließt der Nonnenbach, der die Grenze zu Bayern markiert.
Noch einmal überqueren wir die Bundesstraße und kommen am Gehöft Krummensteg vorbei zu einer kleinen Brücke über den hier noch naturbelassen mäandernden Nonnenbach. Rechts geht es auf bequemem Waldweg bergan, bis wir nach einem Kilometer auf der Höhe links abbiegen und gleich das Ende des Waldes erreichen, wo sich der Blick durch die Reihen der Obstbäume auf die malerisch auf einem Drumlin gelegene Antoniuskapelle auftut, dahinter imponieren die Alpen mit dem Säntismassiv.
Wunderschöne Aussichten
Auf gleichem Weg gehen wir dann wieder zum Waldrand zurück, links in den Wald und an der ersten Abzweigung ein kleines Stück aufwärts, bis links ein Pfad (gelbe Raute) hinabführt zu einer Fußgängerbrücke über den Nonnenbach. Geradeaus über die Wiese und dann am Hang auf dem Feldweg nach links gehend, erreichen wir aufwärts den Weiler Arensweiler.
Dort wenden wir uns nach links in Richtung Gattnau, verlassen in einer Rechtskurve das Teersträßchen, das uns auf dem Wiesenweg wieder direkt zurückführen würde, und folgen nun links dem Feldweg (gelbe Raute), der gleich darauf nach rechts biegt. Durch Obstgärten, die immer wieder kurze Ausblicke auf den See und die Berge erlauben, gehen wir auf dem Kamm geradewegs auf den hohen Mast auf dem Nunzenberg zu, der unbedingt den kleinen Abstecher lohnt, denn von der Plattform auf dem Hochbehälter aus genießen wir eine herrliche Aussicht über den Ottenberg hinweg zum See und auf der anderen Seite auf Gattnau und das Hinterland. Ein kleines Stück gehen wir wieder zurück und dann geradewegs auf Gattnau zu.
Zu Walser: In Kümmertsweiler, das in „Seelenarbeit“Wigratsweiler heißt, liegt gleich neben der „Frohen Aussicht“der Heimathof von Walsers Mutter, in Wasserburg ist er aufgewachsen, so erstreckt sich das dichteste „Walserland“zwischen Wasserburg, Kressbronn und Kümmertsweiler. Aus „Aufgeschriebene
Zeit“: „Kann man, darf man einer Gegend Zärtlichkeit nachsagen? Die Gegend, das ist der See und das sind diese immer rund verlaufenden Hügel am See. Auch das Hinterland rundet sich so von Hügel zu Hügel. Tausendfach. Und keine dieser runden Höhen sind einander gleich . ... Es sind Eiszeitgeschenke. Also schroff ist hier nichts. Auch wenn da und dort eine Molassewand steil tut. Jede dieser Wände ist biegsam, weich, zitronenbis honigfarben. Jede zeigt, dass sie sich lieber rundet als streckt.“
Aus „Seelenarbeit“: „Am schönsten war immer der Augenblick, wenn die sieben roten Dächerschiffe von Wigratsweiler (= Kümmertsweiler) auftauchten. Fiegles, Heners, Korroses, Späths, Zürns, Ehrles und Gierers. Nicht kreuz und quer. Nicht in einer Reihe. Richtig verteilt. Aber er hätte nie angehalten, nur um zu schauen. Das Dach des Hungerbühler Hofes war das einzige, das neu gedeckt werden sollte. Xaver ließ das Auto im Leerlauf hinabtreiben und wieder hinaufrollen auf die Geländenase, auf der der Hungerbühler Hof und die Frohe Aussicht ein bisschen näher aneinanderliegen als alle übrigen Häuser des Weilers. Man sollte vielleicht doch einmal die Halde hinaufrücken. Höher liegen als alle anderen.“
Zum Nonnenbach aus „Das Einhorn“: Der Waldrand hängt hier von Büschen schwer. Ins Tal. Auch Anselm nahm jetzt seine Schuhe in die Hand und sang. Das Flutende Sichelmoos erzählte den Fußsohlen von Rentierzungen, Gemampfe der Moschusochsen, letzten Launen der Eiszeit. Diese Talsohle sott vor Frieden. Germany at its proper, Orli ... Zäh, sagte Anselm, windet, wie du siehst, von zu vielen Erlen interpunktiert, der Nonnenbach seine lautlose Erzählung durchs Tal herab.“Köstlich in „Ein springender
Brunnen“, wie Augusta in Gattnau beichtet: „Sie war mit dem Zug nach Oberreitnau gefahren, dann über Unterreitnau und Bechtersweiler an Rickatshofen vorbei nach Kümmertsweiler gerannt, dann hinab nach Gattnau zum Beichten und hatte dem Pfarrer gesagt: Ich will ins Kloster. Gedacht hatte sie: Wenn der heute nicht kommt, geh ich ins Kloster. Ihr war klar, dass es eine Sünde war, so zu denken...“
Aber er ist doch gekommen: „... und sah schon den Misthaufen, sah den Stadelanbau und den Garten, und am Hag sah sie unter den weißen, aber violett gesäumten Stockrosen das Fahrrad des Wasserburgers mit der Effendi-Plakette. Ein Jahr später wurde geheiratet. Augusta wurde eine Wirtin in Wasserburg. Als sie ihrem Vater später erzählte, dass sie um ein Haar ins Kloster gegangen wäre, hat er gesagt: Mir wär unser Herrgott als Schwiegersohn lieber als jeder andere.“