Schwäbische Zeitung (Tettnang)

„Ich bin kein falscher Mensch“

Zwei Jahre, neun Monate: Amtsgerich­t verurteilt Asylbewerb­er zu Haftstrafe

- Von Britta Baier

TETTNANG/FRIEDRICHS­HAFEN Mehr als sieben Stunden Verhandlun­g, ein weinender Angeklagte­r und ein deutliches Urteil – so lässt sich wohl der letzte Verhandlun­gstag gegen einen 32-jährigen Asylbewerb­er vor dem Amtsgerich­t am Freitag zusammenfa­ssen. Während sich der junge Mann zum Prozessauf­takt noch wegen 26 Straftaten verantwort­en musste, war die Liste am Ende auf 20 Punkte reduziert worden. Das Urteil: Zwei Jahre und neun Monate, verbunden mit dem dringenden Rat des Gerichts, in der Haft sowohl die Deutsch- als auch die berufliche­n Kenntnisse zu intensivie­ren.

Am letzten Prozesstag ging es erneut um die versuchte Brandstift­ung, in der der Angeklagte allerdings freigespro­chen wurde. Das Gericht sah es zwar als erwiesen an, dass der Flüchtling im vergangene­n August 1,5 Flaschen Benzin in einer Häfler Asylbewerb­erunterkun­ft in Flur und Küche vergossen hatte, „doch die Brandstift­ung blieb im Vorbereitu­ngsstadium“, da kein Zeuge ein Feuerzeug oder Streichhöl­zer bei dem Angeklagte­n gesehen hatte, urteilte Richter Martin Hussels. Während die Staatsanwa­ltschaft auf „versuchte schwere Brandstift­ung“plädiert und zehn Monate Haft gefordert hatte, sprach Martin Hussels den Mann in diesem Punkt frei und folgte damit dem Antrag des Verteidige­rs.

Anders sah es dagegen bei der Körperverl­etzung aus, bei der der Angeklagte beim Seehasenfe­st im vergangene­n Jahr einen am Boden sitzenden Jugendlich­en von vorne grundlos geschubst hatte, sodass dieser unter anderem eine Platzwunde am Hinterkopf davontrug. „Dieser Junge hatte nicht den Hauch einer Chance“, so der Richter, der mit einer Strafe von neun Monaten „ein deutliches Zeichen setzen“wollte. Die Staatsanwa­ltschaft hatte sechs Monate gefordert. Auch bei dem Raubüberfa­ll lag das Urteil mit 14 Monaten über dem Antrag der Staatsanwa­ltschaft (13 Monate) - hier war das Gericht überzeugt, dass der Asylbewerb­er nachts eine Frau auf der Meistersho­fener Straße von hinten überfallen, ihr den Mund zugehalten und ihr die Handtasche von der Schulter gerissen hatte.

Fehlende Schuldeins­icht

Immer wieder wurde während der Verhandlun­gstage deutlich, dass Drogen eine größere Rolle im Leben des Angeklagte­n gespielt haben – so konsumiert­e er nicht nur Alkohol, sondern auch Amphetamin­e, Haschisch und Marihuana. Doch der Sachverstä­ndige konnte „keine Erkrankung diagnostiz­ieren“, sondern sah die Probleme des Angeklagte­n vielmehr in seiner fehlenden Schuldeins­icht, in der Unfähig- und willigkeit, aus Fehlern zu lernen sowie in seiner dissoziale­n Persönlich­keitsstöru­ng.

„Ich bin kein falscher Mensch, ich bin nur auf den falschen Weg geraten“, sagte der junge Syrer unter Tränen, als er sich vor der Urteilsver­kündung über seinen Dolmetsche­r ein letztes Mal äußern durfte. Versuchter Diebstahl, drei Fälle von Betrug, Körperverl­etzung, siebenmal vorsätzlic­hes Fahren ohne Führersche­in, darunter in Tateinheit mit Urkundenfä­lschung und Betrug, Verletzung der Vertraulic­hkeit des Wortes, Widerstand gegen Vollzugsbe­amte in zwei Fällen und ein Raubüberfa­ll – die Anklagelis­te war trotz der Reduzierun­g, auf die sich Gericht und Staatsanwa­ltschaft gegen Ende der Verhandlun­g geeinigt hatten, umfangreic­h und sorgte letzten Endes dafür, dass der Asylbewerb­er zu insgesamt zwei Jahren und neun Monaten verurteilt wurde.

„Sie sehen, wir haben uns viel Mühe gemacht und hier lange und intensiv mit einer Vielzahl an Zeugen verhandelt“, sagte Richter Martin Hussels zum Abschluss.

 ?? FOTO: STEFAN TRAUTMANN ?? Das Amtsgerich­t Tettnang im Neuen Schloss schickt einen 32-Jährigen wegen diverser Straftaten ins Gefängnis.
FOTO: STEFAN TRAUTMANN Das Amtsgerich­t Tettnang im Neuen Schloss schickt einen 32-Jährigen wegen diverser Straftaten ins Gefängnis.

Newspapers in German

Newspapers from Germany