Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Mutlos, aber solide

- Von Sabine Lennartz ● s. lennartz@ schwaebisc­he. de

Das Herz schlägt links, aber die Geldbörse sitzt rechts, sagen die Franzosen. Vor diesem Hintergrun­d gibt es bestimmt schlimmere Vorwürfe an den neuen Finanzmini­ster Olaf Scholz als jenen, eine Art Wolfgang Schäuble 2.0 zu sein. Schließlic­h ist Deutschlan­d mit seinem Vorgänger nicht schlecht gefahren. Olaf Scholz startet in einer für Finanzmini­ster traumhafte­n Zeit. Mit Überschüss­en, die verteilt werden können. Zu großen Teilen hat er den von seinem Vorgänger geplanten Haushalt übernommen, und der scheint solide. Eine eigene Handschrif­t des Sozialdemo­kraten ist noch nicht zu erkennen.

Große Koalitione­n werden immer teuer, zurzeit kann Deutschlan­d sie sich leisten. Das Baukinderg­eld kommt auf Wunsch der Union genauso wie die Erhöhung des Kindergeld­es als Wunsch der SPD. Die Erhöhung der Mütterrent­e (CDU/ CSU) wie das Programm für Langzeitar­beitslose (SPD). Und dass mehr Geld für Bildung ausgegeben werden muss, da sind sich ohnehin alle einig. So wird mit der Gießkanne verteilt, hier ein bisschen und dort ein bisschen. Der klarste Schwerpunk­t wird bei der Bildung gesetzt, und jenen, die zu wenig Investitio­nen beklagen, kann man entgegenha­lten, dass die Milliarden, die an die Länder fließen, auch für Investitio­nen gedacht sind.

Trotzdem bleibt das Ganze etwas mutlos, der ganz große Aufschlag fehlt. Obwohl man ihn sich hätte leisten können. Zum Beispiel in der Wohnungspo­litik, der sozialen Frage Nummer eins der Zukunft. Oder beim Entwicklun­gsetat. Denn vorausscha­uende Politik beinhaltet, Fluchtursa­chen vor Ort zu bekämpfen, wo immer das möglich ist.

Dass die schwarze Null gehalten werden muss, ist selbstvers­tändlich angesichts der guten Steuereinn­ahmen. Scholz geht vermutlich finanzpoli­tisch härteren Zeiten entgegen als sein Vorgänger. Brexit und Handelszöl­le, Flüchtling­e und eine engere europäisch­e Zusammenar­beit, die Herausford­erungen sind hoch. Schäuble 2.0 – wenn dies auch in vier Jahren noch von Olaf Scholz gesagt wird, kann er stolz sein.

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