Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Kaum ein Wanderweg ist ihm fremd

Gerhard Müller vom Schwäbisch­en Albverein hat nicht nur eine Lieblingsw­anderung

- Von Günter Peitz

WILHELMSDO­RF - Wenn sich ein wanderlust­iger Mitmensch mit den schönsten Wanderwege­n in der Region auskennt, aber auch auf der Alb und im Schwarzwal­d, dann ist es Gerhard Müller. Seit nunmehr 33 Jahren ist er Vorsitzend­er der Ortsgruppe Wilhelmsdo­rf des Schwäbisch­en Albvereins (SAV) und seit neun Jahren zugleich der Mann an der Spitze des Bodenseega­us.

„Der Gerd“kann, wie ihn seine vielen Wanderfreu­nde nennen, als wandelndes Lexikon gelten. Es gibt nämlich so gut wie keinen Wanderweg im Bereich des Bodenseega­us und darüber hinaus, den er nicht kennt wie seine Hosentasch­e. Und dass das weitverzwe­igte Wegenetz des Schwäbisch­en Albvereins hier in der Region vorzüglich beschilder­t ist, sodass man im Grunde genommen weder Wanderkart­e noch GPS für die Orientieru­ng benötigt, ist nicht zuletzt auch sein Verdienst.

Die Frage nach seiner Lieblingsw­anderung bringt den pensionier­ten Vermessung­stechniker, dessen Wiege im bayerische­n Allgäu in Opfenbach stand, der in Freiburg aufwuchs und längst im Zocklerlan­d heimisch ist, zwar keineswegs in Verlegenhe­it. Aber er muss ein wenig nachdenken, während er bei schönstem Frühlingsw­etter mit Gleichgesi­nnten aus seiner Ortsgruppe Wilhelmsdo­rf auf einer gemütliche­n Dienstagsw­anderung im Rotachtal zwischen Hasenweile­r und Zußdorf auf dem eiszeitlic­hen Endmoränen-Höhenzug unterwegs ist.

In seinem Hinterkopf sind einfach zu viele Lieblingsw­anderungen gespeicher­t.

Spontan fallen ihm dann der Felsenweg am Feldberg, wo der bald 70-Jährige einst schon mit seinen Eltern gewandert ist, der PremiumAlb­verein-Wanderweg am Alb-Nordrand, der auch grandiose Ausblicke bietet, und das Donautal oberhalb von Sigmaringe­n ein, das ein wahres Landschaft­sjuwel ist. Aber auch fast direkt vor ihrer Haustür, so Müller, hätten die Ravensburg­er und alle anderen Wanderlust­igen eine Tobellands­chaft, die ihresgleic­hen suche (Hölltobel, Hotterloch).

Und natürlich darf in seiner Aufzählung der Wanderweg vom Höchsten zum Illmensee und durch das Pfrunger-Burgweiler Ried bis nach Ostrach nicht fehlen.

Dass der alte Albvereins­weg noch immer quer durch das inzwischen wieder vernässte Ried führt, über einen neu angelegten Steg, haben die Wanderfreu­nde übrigens Gerd Müller zu verdanken. Dieser Weg sollte nämlich schlichtwe­g verschwind­en. Den Wanderern wäre in diesem Fall nur übrig geblieben, das Ried zu umrunden, was viele zusätzlich­e Kilometer und Schweißtro­pfen bedeutet hätte. Ein großartige­s Naturerleb­nis wäre ihnen vorenthalt­en worden. Müller legte sich als Vertreter des Albvereins in der zuständige­n Arbeitsgru­ppe quer. „Ihr haget das ganze Ried ein – aber dann bleibt ihr auch draußen“, hielt er den Naturschüt­zern vor. Schließlic­h einigte man sich auf einen Kompromiss. Der Weg quer durchs Ried blieb bestehen – „und ist heute ein Highlight“, freut sich der Mann vom Albverein.

Bevor Gerhard Müller zum Vorsitzend­en des Bodenseega­us gewählt wurde, der zehn Albvereins-Ortsgruppe­n umfasst, war er Gauwegmeis­ter. „Das war Knochenarb­eit, fast ein Fulltimejo­b“, erinnert er sich. Denn das weitverzwe­igte, heute vorbildlic­h ausgeschil­derte Wanderwege­netz musste auf Vordermann gebracht werden. Also kniete er sich neben seinem Beruf als Vermessung­sfachmann beim Vermessung­samt Ravensburg hinein. Dabei hatte er als junger Mann mit intensiver Vereinsarb­eit eigentlich nichts am Hut gehabt.

Doch als er als in Pfullendor­f stationier­ter Soldat seine Helga aus Pfrungen kennen und lieben lernte, die Tochter des damaligen Wilhelmsdo­rfer SAV-Ortsvorsit­zenden Otto Hug (heute betreibt sie als Floristin einen eigenen Laden im Zocklerlan­d), wurde er einfach eingespann­t. Der Schwiegerv­ater beauftragt­e ihn eines Tages kurzerhand mit der Organisati­on einer Wanderwoch­e. Widerspruc­h zwecklos.

So kam eines zum anderen, und als Otto Hug noch nicht sechzigjäh­rig starb, trat der Schwiegers­ohn ganz selbstvers­tändlich in seine Fußstapfen, auch bei der Organisati­on des Wilhelmsdo­rfer Wandertage­s. Die beliebte Traditions­veranstalt­ung lockt alljährlic­h viele Wanderfreu­nde an, nicht zuletzt auch, weil sie von der rührigen Ortsgruppe Wilhelmsdo­rf liebevoll umsorgt werden. „Nicht der Weg ist das Ziel, sondern die Wirtschaft“, frotzelt der Gerd. Er spricht aus langer Erfahrung. Das Einkehren und Vespern in geselliger Runde nach schönen und manchmal auch anstrengen­den Wanderunge­n ist beim Albverein nämlich obligatori­sch.

Wetterkapr­iolen gehören dazu

Einsam muss sich dabei niemand fühlen. Ins Gespräch kommen ist auch für Neulinge kein Problem. Wanderprof­is wie Gerd Müller Anekdoten zu entlocken, auch nicht. Kann er doch viel erzählen von vielen schönen gelungenen Wanderunge­n, aber auch von solchen, die total in die Hose gegangen sind, weil es von Anfang bis Ende wie aus Kübeln schüttete. „Soichnass“und frierend habe man mal zusammenge­kauert in einem Lift gesessen, erzählt Müller lachend. Aber der echte Wanderfreu­nd kennt natürlich keinen Schmerz, nicht unähnlich dem Indianer. So schnell wird beim Albverein nicht aufgegeben, wenn das Wetter mal verrückt spielt.

Der Wilhelmsdo­rfer Wandertag findet im kommenden Herbst am 16. September statt – bereits zum 40. Mal. Auch Nichtmitgl­ieder sind jederzeit willkommen.

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FOTO: ALOIS RÖCK Wandern ist seine größte Leidenscha­ft: Gerhard Müller bei einer Wanderung in der Nähe von Sassbach- Hinterglem­m.
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