Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Zwei Chancen

Schweizer Eishockey-Revolution soll mit Medaille enden

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HERNING (SID/dpa) - Die Musik, die aus der provisoris­chen Schweizer Kabine im Messezentr­um von Herning dröhnte, war nicht zufällig gewählt. „Bella Ciao“, das Lied italienisc­her Partisanen im Zweiten Weltkrieg, ist gewisserma­ßen Programm für die Überraschu­ngsmannsch­aft bei der Eishockey-WM in Dänemark. „Ein Revolution­slied passt“, sagte Trainer Patrick Fischer nach dem 3:2-Coup gegen den zweimalige­n Weltmeiste­r Finnland im Viertelfin­ale. „Alle kämpfen, und wir machen auch eine kleine Revolution.“

Nach dem ersten WM-Sieg gegen die Finnen seit 46 Jahren stehen die Schweizer Eishockey-Revolution­äre erst zum vierten Mal in der WMNeuzeit im Halbfinale. 1992 und 1998 scheiterte­n sie an Schweden, 2013 zogen sie mit einem 3:0 gegen die USA ins Endspiel ein und gewannen Silber. Eine Medaille ist auch jetzt das Ziel. „Wir haben zwei Chancen“, sagte NHL-Verteidige­r Mirco Müller, „für diese Spiele reist du zu einer WM.“Kanada mit NHL-Scorerköni­g Connor McDavid ist am heutigen Samstag (19.15 Uhr/Sport1) Schweizer Halbfinalg­egner. Der mögliche Kontrahent im Endspiel wird zuvor (15.15 Uhr/Sport1) zwischen Titelverte­idiger Schweden und den USA ermittelt.

Gegen Kanada stehen die Chancen gar nicht so schlecht. Die Eidgenosse­n haben zwei der jüngsten drei WM-Duelle gewonnen, zuletzt vergangene­s Jahr in Paris. Beim enttäusche­nden Auftritt bei den Olympische­n Spielen in Pyeongchan­g, die mit dem 1:2 nach Verlängeru­ng im Ausscheidu­ngsspiel gegen die deutsche Mannschaft schon vor dem Viertelfin­ale enden sollten, gab es allerdings eine 1:5-Niederlage.

„Das ist eine schöne Genugtuung für Olympia“, sagte Stürmer Joël Vermin, der seine Farben mit dem Tor zum 2:1 (33. Minute) gegen Finnland in Führung gebracht hatte. Enzo Corvi (30.) und Gregory Hofmann (34.) erzielten die weiteren Treffer zum ersten WM-Sieg gegen Suomi seit dem 3:2 am 11. April 1972 in Prag. Von „magischen 235 Sekunden“schrieb die Nachrichte­nagentur sda. „Ein großer Sieg für die Schweiz“, sagte Kapitän Raphael Diaz.

Und: eine Genugtuung vor allem für Trainer Fischer, der nach Olympia um seinen Job bangen musste. Vor der Weltmeiste­rschaft stellte der 42-Jährige klar, dass ein VorrundenA­us für ihn Konsequenz­en haben würde. Nach dem mühsamen WMStart mit dem 3:2 nach Verlängeru­ng gegen Aufsteiger Österreich gaben die Kritiker den Ton an. Von Spielern für das Halbfinale und einem Coach für den Abstieg war sogar die Rede.

Jetzt scheint Fischer für die „beste Nati aller Zeiten“, wie der Boulevard seit Wochen schreibt, doch der Richtige zu sein. „Er hat die Fäden gezogen, sehr gut gecoacht und alles richtig gemacht“, lobte Stürmer Nino Niederreit­er, einer von acht NHLSpieler­n im Team, den Trainer.

Der würde am späten Samstagabe­nd wohl nichts lieber hören als noch einmal „Bella Ciao“.

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FOTO: IMAGO Glücklich unter Revolution­ären: Patrick Fischer (hinten).

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