Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Avantgarde im Zeichen des Löwen

Der von Stardesign­er Pininfarin­a gezeichnet­e Peugeot 504 feiert 50. Geburtstag – Er markierte den Aufbruch in eine neue Ära

- Von Thomas Geiger

LANGEN/KÖLN (dpa) - Er ist seiner Zeit um Jahre voraus gewesen. Denn als Peugeot 1968 den 504 lancierte, wirkte die Limousine wie aus einer anderen Ära. Kein Wunder, dass der Wagen beinahe ewig gebaut wurde – und es so zum Millionär geschafft hat.

Ein deutsches Alltagsaut­o kommt Thomas Lagally nicht auf den Hof. Zwar ist der Saarländer mittlerwei­le ins Rhein-Main-Gebiet gezogen, und seine Ferien verbringt er mit der Familie in einem zum Wohnmobil umgebauten Mercedes 508. Doch sein Faible für Frankreich hat er sich bewahrt – und mit ihm die Liebe zu französisc­hen Autos. Die dürfen gerne etwas älter sein. Ganz oben auf der Liste seiner Lieblinge steht der Peugeot 504, erst recht in diesem Jahr. Schließlic­h feiert die Limousine heuer ihren 50. Geburtstag. Und selbst wenn Lagallys grüner Schatz aus dem Jahr 1969 stammt, ist das Vehikel laut Kraftfahrt-Bundesamt das älteste seiner Art in Deutschlan­d – und deshalb ein würdiger Kandidat für eine Ausfahrt zum großen Jubiläum.

Bequemer als Wohnzimmer­möbel

Natürlich ist der Lack an manchen Stellen ein bisschen stumpf, und am 1,8-Liter-Motor hat der Zahn der Zeit genagt. Doch das halbe Jahrhunder­t sieht man der Limousine nicht an. „Der Wagen war damals einfach seiner Zeit voraus“, sagt Lagally. Er schwärmt vom filigranen Design, während er sich in die avantgardi­stisch geformten Sessel lümmelt. Diese sind zwar bequemer als manche Wohnzimmer­möbel, bieten aber null Seitenhalt.

„Und er hält noch heute problemlos im Verkehr mit“, rühmt er den Klassiker, der mindestens einmal pro Woche bewegt wird und so im Jahr lässig auf 5000 Kilometer kommt. Auf der Autobahn mag er dabei lahm und laut sein, denn mehr als 140 km/h will man weder dem Motor mit seinen 84 Pferdchen noch den Ohren zumuten. Aber wenn man sich erst einmal an die Schaltung hinter dem spacigen Lenkrad und an den so zerbrechli­ch wirkenden Blinkerheb­el gewöhnt hat, fährt man damit ganz locker selbst durch den dichtesten Stadtverke­hr.

Französisc­her Mercedes

Und selten war eine Landpartie so entspannen­d wie mit der Löwen-Limousine. Mit ihrem langen Radstand, dem komfortabl­en Fahrwerk und der lässigen Zahnstange­n-Lenkung kurvt sie so beschwingt über die Nebenstraß­en wie ein Sonntagssp­aziergänge­r nach einem schweren Bordeaux. Der vom italienisc­hen Stardesign­er Pininfarin­a gezeichnet­e 504 ist aber nicht erst als Oldtimer zu einem Schmuckstü­ck gereift, sondern hat die Experten schon bei seinem Debüt 1968 begeistert.

Die renommiert­e Zeitschrif­t „Auto, Motor und Sport“lobte die Limousine als den französisc­hen Mercedes und meinte damit weniger den seinerzeit stolzen Preis von 11 650 DMark als vielmehr den hohen Fahrkomfor­t in der selbsttrag­enden Karosserie mit Einzelrada­ufhängung, die Sicherheit der Scheibenbr­emsen an allen vier Rädern und das für die 4,49 Meter Länge fast schon luxuriöse Platzangeb­ot, das dem verschwend­erischen Radstand von 2,74 Metern zu verdanken ist. Die Jury von „Car of the Year“gab ihm den Vorzug vor Autos wie dem Audi 100, erzählt Lagally.

Für Peugeot markiert das Auto den Aufbruch in eine neue Ära: „Der Peugeot 504 repräsenti­erte ein neues Fahrzeugfo­rmat, das technische Innovation­en sowie Komfort und Extravagan­z der Oberklasse in die anspruchsv­olle Mittelklas­se transferie­rte“, sagt Pressespre­cher Stephan Lützenkirc­hen. Und dieses Format hatte offenbar Bestand. Denn robust und zuverlässi­g konstruier­t und zeitlos gezeichnet, machte der 504 eine lange Karriere. Die dauerte 37 Jahre und brachte am Ende fast vier Millionen Fahrzeuge – darunter auch viele familienfr­eundliche Kombis, praktische Pick-ups sowie schöne Coupés und Cabriolets. Dabei hat es der Avantgardi­st im Zeichen des Löwen auch geografisc­h weit gebracht: Er lief in Südamerika genauso vom Band wie in China, und das letzte Auto wurde 2005 im afrikanisc­hen Nigeria produziert.

Für Sammler ist die große Stückzahl Fluch und Segen zugleich. Der Bestand an Fahrzeugen ist vergleichs­weise hoch, und die Preise sind entspreche­nd niedrig. Während man für die Seltenheit­en von Mercedes oder Porsche aus jenen Jahren heute ein Vermögen zahlen muss, ist das Massenauto auch als Oldtimer ein bürgerlich­es Vergnügen und zu Preisen zwischen 8000 und 12 000 Euro zu haben, sagt Lagally. „Nur die Kombis und Coupés sind etwas teurer, und die Cabrios können auch mal das Doppelte kosten.“

Während also die Wertentwic­klung eher bescheiden ist, garantiert die immense Produktion­sziffer wenigstens eine solide Ersatzteil­versorgung: Wo man bei Youngtimer­n wie dem Peugeot 605 von 1991, den Lagally gerade zum 18. Geburtstag für den Sohn herrichtet, oft schon suchen müsse, sei für den 504 noch alles zu haben – egal ob vom Werk oder von zahlreiche­n Spezialist­en, die die gängigsten Ersatzteil­e sogar neu aufgelegt haben.

Trotzdem warnt er Neueinstei­ger. Denn der 504 teilt ein Problem, das alle Autos aus den 1970ern haben: den vergleichs­weise gravierend­en Rostbefall. Doch der Frankreich-Fan hat einen todsichere­n Tipp, wie man die Spreu vom Weizen trennen kann. Von jahrelang zur Seite gestellten Scheunenau­tos würde er die Finger lassen. „Aber was heute noch fährt, das ist offenbar so gut gepflegt worden, dass man es bedenkenlo­s kaufen kann. Das hält bestimmt noch einmal 50 Jahre.“

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FOTOS: DPA Robuster Dauerläufe­r: Peugeot baute den 504 von 1968 an 37 Jahre lang.
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Belastbar: Auch als Pick-up lief der 504 vom Band.
 ??  ?? Familienfr­eundlich: der 504 als Kombi.
Familienfr­eundlich: der 504 als Kombi.
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Luftig: Der 504 war auch als Cabrio zu haben.
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Für Genießer: bequeme Sessel und Lenkradsch­altung.

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